Update vom 18. Dezember 2015:
Der Spuk war schneller vorbei als angenommen: Ein Richter des Gerichtshofs des Bundesstaates São Paulo hat die Sperre kurzerhand nach lediglich 14 Stunden wieder aufgehoben, weil sie in seinen Augen unangemessen war. Zudem wäre es zielführender, WhatsApp/Facebook mit einer saftigen Geldstrafe zu belegen, statt Millionen Nutzer zu bestrafen, die nichts für die Verfehlungen des Unternehmens können. Wie bzw. ob überhaupt nun eine Geldstrafe angesetzt wird, oder ob es sich hier tatsächlich nur um einen 14-Stunden-Denkzettel für WhatsApp handelte, wird sich noch zeigen müssen. Konsequent wirkt jedenfalls das komplette Theater um die Blockade des Messengers nicht. Den Nutzern wird es egal sein, die bereits kurz nach der Aufhebung der Sperre den Dienst wieder ohne Einschränkungen einsetzen konnten.
via Golem.de
Original-Artikel vom 17. Dezember 2015:
Ziemlich überraschend hat ein brasilianisches Gericht entschieden, dass WhatsApp über einen Zeitraum von 48 Stunden beginnend mit heute für seine Nutzer nicht zu erreichen ist. Wieso wurde WhatsApp blockiert? Medien berichten in Brasilien übereinstimmend, dass WhatsApp einen Gerichtsbeschluss vom 23. Juli ignoriert habe, später am 7. August habe man dem Messenger-Service eine Sperre angedroht, ebenfalls ohne Reaktion. Jetzt ist es also soweit und ein brasilianisches Gericht hat die Sperre inkraft gesetzt.
Mark Zuckerberg – Sein Unternehmen Facebook hat ja bekanntlich WhatsApp übernommen – spricht von einem schlechten Tag für Brasilien und haut damit natürlich wieder mächtig auf die Pathos-Pauke. Tatsächlich aber betrifft es wirklich sehr viele Brasilianer – das Land gehört zu einem der bevölkerungsreichsten der Welt und über 35 Millionen Nutzer dort setzen WhatsApp Schätzungen zufolge als Messenger ein. Mark Zuckerberg spricht sogar von 100 Millionen betroffenen Menschen, die dem Dienst vertrauen:
Tonight, a Brazilian judge blocked WhatsApp for more than 100 million people who rely on it in her country. We are working hard to get this block reversed. Until then, Facebook Messenger is still active and you can use it to communicate instead. Mark Zuckerberg, Facebook-CEO
In dem Gerichtsbeschluss, auf den man sich bezieht, ging es ursprünglich um einen Fall von Pädophilie, bei dem die Polizei die Herausgabe von Daten zum Verdächtigen verlangte. Mangelnde Kooperationsbereitschaft – WhatsApp geht eben nicht darauf ein, im Ernstfall Daten rauszurücken wie normale Mobilfunkanbieter – hat dem Unternehmen nun diese Sperre eingebracht, die skurrilerweise jedoch mit 48 Stunden zeitlich limitiert ist.
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Während ich mir noch überlege, wie man auf die Idee kommen kann, so einen Service nun befristet aus dem Verkehr zu ziehen und diese Sperre nicht direkt an die Erfüllung von Bedingungen zu knüpfen, behelfen sich die Brasilianer indes anders: Wer WhatsApp nicht via VPN einfach weiternutzt, weicht auf die zahlreich vorhandene Konkurrenz aus. Mark Zuckerberg hofft natürlich inständig darauf, dass sein Facebook Messenger die erste Alternative ist, aber mit Telegram scheint sich ein anderer Profiteur abzuzeichnen – 1,5 Millionen Menschen sollen sich aktuell in dem südamerikanischen Land bei diesem Messenger angemeldet haben, vermeldet das Unternehmen selbst.
1.500.000 and counting, SMS-Gateways overloading. Hang on, your codes are coming! We've got all hands on deck to accommodate the crazy load.
— Telegram Messenger (@telegram) December 17, 2015
Warten wir einmal ab, was sich die brasilianischen Behörden nach Ablauf dieser Sperre überlegen – und natürlich auch, ob Facebook/WhatsApp reagieren. Für meinen Fall bleibe ich dabei, dass es ein ziemlich schräges Vorgehen ist, das Messenger-Angebot für 48 Stunden zu blockieren von staatlicher Seite und ich denke mir, dass wir nicht zum letzten Mal was aus Brasilien zu diesem Thema gehört haben.
Quelle: Folha de S.Paolo via Caschys Blog und Zeit Online