Na wer hätte das gedacht? „Betroffene Kreise“ wünschen sich von der Politik ein generelles Verbot von Ad-Blockern und in Anbetracht des Geschäftsmodells rund um AdBlock Plus dürfte die Politik hier zumindest mal zuhören. Egal für wie unglaublich dämlich man diese Idee aus technischer Sicht halten mag, es ist leider nicht auszuschließen, dass diese „betroffenen Kreise“ uns nach dem Leistungsschutzrecht für Presseverleger nun auch noch das einbrocken.
Ohne Frage, das Geschäftsmodell der Kölner Eyeo GmbH mit ihrem AdBlock Plus darf man gerne als zumindest fragwürdig bezeichnen, manch einer bezeichnet das auch als digitale Wegelagerei oder sogar Erpressung. Aber es geht den „betroffenen Kreisen“ gar nicht um dieses konkrete Geschäftsmodell (das kann man wegen mir gerne verbieten, nein, das sollte man sogar), man möchte Ad-Blocker grundsätzlich verbieten lassen. Die Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz möchte sich nun des Themas annehmen und verweist dabei auf eine Begründung dieser „betroffenen Kreise“, die einen ernsthaft die Frage stellen lässt, ob die überhaupt wissen, was sie da tun, wenn sie Inhalte im Netz veröffentlichen.
Die Medienanbieter stellen sich nämlich auf den Standpunkt, dass sie ein Gesamtprodukt anbieten würden, zu dem eben auch die Werbung gehören würde. Wenn man nun einen AdBlocker nutzt, dann würde dieses Gesamtprodukt „faktisch entbündelt“:
Es bestünde aber kein Anspruch auf unentgeltliche Information, weshalb entweder für ein Medienprodukt gezahlt oder die Werbung geduldet werden müsse. Ad-Blocker wurden als existentielle Bedrohung der wirtschaftlichen Basis insbesondere für die digitalen Angebote der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger bezeichnet.
Und woher stammt diese Forderung nun? Naja, es gab da einen Workshop und zu den Teilnehmern gehörten Vertreter folgender Organisationen und Personen:
- Organisation der Mediaagenturen (OMG),
- Omnicom Media Group Germany GmbH,
- Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV),
- Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ),
- Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW),
- Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT),
- ARD,
- Geschäftsführer der ZDF Werbefernsehen GmbH,
- AG Privater Rundfunk (APR),
- Anzeigenchef eines (ungenannten) Verlags.
Dann reden wir doch mal Tacheles, meine Damen und Herren Verleger und Onlinewerbetreibende. Ich bin ganz sicher kein Feind von Werbung, ich finde Werbung grundsätzlich gut und das war auch schon so, bevor ich relevante Anteile meines Einkommens zumindest indirekt durch Werbung verdient habe.
Aber was da online passiert, das hat mit Werbung kaum noch was zu tun. Das fällt eher in den Bereich Belästigung und Nötigung. Werbung, die die komplette Seite überlagert und bei Klick auf den Button zum Schließen der Werbung ein Pop-Up mit neuer Werbung öffnet (klar, ohne Nutzerinteraktion werden keine Pop-Ups mehr geöffnet). Gerne auch in Form von Videos die automatisch starten und natürlich eine Tonspur mitbringen. Wenn das zum „Gesamtprodukt“ gehören soll, dann taugt dieses Gesamtprodukt nichts mehr.
Aber es ist ja nicht nur das Generve um Aufmerksamkeit und Klicks, nein, Online-Werbung ist auch ein Sicherheitsrisiko, was auf der re:publica eindrucksvoll demonstriert wurde:
Gehört auch das zum Gesamtprodukt? Digitale Schädlinge, die rein durch Aufruf den Browser und den ganzen Rechner infizieren und übernehmen? Ja? Das gehört auch zum Gesamtprodukt? Na dann muss doch der Anbieter des Produkts gefälligst sicherstellen, dass sein Gesamtprodukt sicher ist und sich nicht darauf zurückziehen, dass man für die Werbung aus irgendwelchen Netzwerken nichts könne und sich die User doch bitte selbst zu schützen hätten. Liebe, Verlage, seid ihr so konsequent und übernehmt ihr hier die finanzielle Verantwortung für gelöschte Daten, infizierte Netzwerke usw.?
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Mal abgesehen davon: Wie soll so ein Verbot aussehen? Wird dann jede Browsererweiterung verboten, die es erlaubt den Inhalt einer geladenen Website zu verbieten? Kommen Browser in Deutschland in Zukunft dann ohne Web Inspector oder muss man beim Ordnungsamt nachweisen Webentwickler zu sein, um den freischalten zu dürfen? Wird das lokale Ausführen von JavaScript innerhalb von anderen Servern geladener Webseiten verboten? Wie soll das Verbot durchgesetzt werden? Lasst mich raten: Netzsperren?
Unabhängig von der Tatsache, dass so ein Verbot bestenfalls rein symbolischen Charakter hätte, schlimmstenfalls für ein Ende von sehr viel nützlichen Software sorgen würde und mal ganz außer Acht gelassen, dass einige Menschen hier offensichtlich nicht verstanden haben, wie das Web funktioniert, aber trotzdem ganz ernsthaft die Frage an die Initiatoren dieser Verbotsidee: Habt ihr noch alle Tassen im Schrank?
Statt sich ernsthaft Gedanken zu machen, wie alternative Monetarisierungsmodelle aussehen könnten (ihr könnt ja mal Sascha fragen) oder wie man zumindest die Werbung wieder so gestaltet, dass sie ohne zu nerven läuft, ohne die Sicherheit eurer Nutzer zu gefährden und ohne eure Seiten in den Kriechmodus zu versetzen, schickt ihr eure Lobbyisten los, damit ein neues Totgeburtgesetz geschnitzt wird, wie das Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Sind die Leute, die so was entscheiden eigentlich vollkommen lernresistent und mussten die das sein, um an die entsprechenden Jobs zu bekommen oder bringt das der Job mit sich?
Übrigens, wer auf der Suche nach einer Alternative zu AdBlock Plus und anderen Tools ist, deren Nutzung der Eyeo GmbH nur mehr Macht verschafft, dann werft mal einen Blick auf uBlock Origin.
via Netzpolitik.org