Mit der Google I/O 2015 steht im Monat Mai eines der grössten und wichtigsten Events der Branche an. Wie auf einer klassischen Entwicklerkonferenz üblich, wird es auch in diesem Jahr bei Google hauptsächlich um Software, Apps und die im Mittelpunkt stehenden Programmierer gehen. Hardware wird wohl nur am Rande ein Thema sein, z.B. wenn es um die Kompatibilität einiger Smartwatches mit Android Wear 5.1.1 oder um Smartphones und Tablets mit dem kommenden Betriebssystem Android „M“ geht.
Eines der wichtigsten Gebiete ist für Google bereits seit mehreren Jahren das Thema Photographie. Die Standard-Photo-App unter Android 5.1 Lollipop hat sich mehr oder weniger still und heimlich zu einem mächtigen Werkzeug entwickelt und im Google Play Store gehören die Apps von Drittanbietern in dieser Kategorie zu den erfolgreichsten.
High-End-Smartphones wie das Samsung Galaxy S6 (Edge) oder das HTC One M9 werden immer auch an den Fähigkeiten und den Qualitäten ihrer Kameras gemessen, und das aus gutem Grund. Täglich werden mit unseren Devices mehr Bilder geschossen als jemals zuvor – und dann von Menschen in den Social Networks geteilt. Bildfokussierte Plattformen wie Instagram oder Pinterest weisen enorme Wachstumsraten auf, und oftmals sind Bilder – wie z.B. bei Snapchat – das einzig noch genutzte Kommunikationsmittel, ohne ergänzende Worte.
Sascha wies schon vor mehr als einem Jahr darauf hin, welche Bedeutung Photos für die Plattform Google+ haben. Bereits zum damaligen Zeitpunkt luden Benutzer dort pro Woche 1,5 Milliarden Bilder hoch. Diese Menge wird sich bis heute nicht reduziert haben, im Gegenteil, gehört die Google+ App doch zu den zehn meistgenutzten Apps auf Android Smartphones.
Vor knapp zwei Monaten machten erste Gerüchte die Runde, Google wolle die Plattform Google+ schon sehr bald in die Bereiche Stream, Photos und Hangouts aufspalten, sogar von einer kompletten Einstellung der zentralen Plattform war die Rede. Mittlerweile ist klar: die damals von einigen Medien fehlinterpretierten Äusserungen einiger Google-Mitarbeiter geben nur das wieder, was bereits vor zwei Jahren offiziell verkündet wurde. Google+ besteht schon längst aus diesen drei separaten Bereichen, das Unternehmen experimentiert lediglich fortlaufend mit der Art und Weise der Verknüpfung.
Zuletzt erhielt z.B. die Gmail-App ein Update, mit dem wieder eine wesentlich engere Verbindung zum Social Layer Google+ hergestellt wurde. Google+ selbst wurde um ein mächtiges Feature erweitert und ermöglicht nun das Teilen themenbasierter Sammlungen (oder Bilder). Via Google+ upgeloadete Photos werden neuerdings bei Google Drive gespeichert, mit den dort möglichen Dateiverwaltungs-Optionen. Und ganz nebenbei erschien eine separate Desktop-App, die das automatische Backup und die Synchronisation von Bildern ermöglicht.
Nun, vermutlich pünktlich zur I/O 2015, geht Google angeblich den nächsten logischen Schritt und wird parallel zu Google+ eine neue, separate Photo-Plattform starten (die es vergleichbar mit dem jetzigen Picasa Web eigentlich auch schon länger gab). Die bisher enge Verknüpfung zwischen den beiden Bereichen „Stream“ und „Photos“ wird bei Google+ also etwas gelockert, was sicherlich einen positiven Effekt auf die Usability und intuitive Benutzung haben dürfte.
Wo genau die Grenzen oder erweiterten Möglichkeiten dieser separaten Plattform liegen, ist noch nicht klar. Zwar erwähnen mehrere nicht genannte „Insider“ den Umstand, dass die neue Plattform auch das Teilen der upgeloadeten Photos bei Facebook und Twitter ermögliche – doch genau dieses Feature besitzt die bereits jetzt verfügbare Photo App von Google schon längst (siehe unten), das ist also keine Neuigkeit. Auch die App für Google Chromebooks weist bereits viele Funktionen auf, die sich in der späteren Plattform wiederfinden dürften.
Meine persönliche Einschätzung zu dem Thema? „Ihr wollt Instagram? Dann bekommt ihr Instagram – nur anders!“ Google wäre unfassbar blöde, wenn sie diese Entwicklung zum rein bildbasierten Sharing nicht einfach mitnehmen und dabei auf die ohnehin bestehende Struktur und Bildmenge zurückgreifen würden. Nochmal zur Erinnerung: alle bei Google upgeloadeten Bilder befinden sich jetzt bei Google Drive – jede darauf aufsetzende App, ob es nun Google+ oder eine separate Photo-Plattform ist, wird ihre Fans finden. Und irgendwie habe ich den Verdacht, dass sich hinter den Gerüchten hauptsächlich eine dann auch im Play Store separat erhältliche Foto-App verbirgt, in die man sich via OAuth einloggt.
Am Erfolg von unzähligen Fotografen bei Google+ wird diese Entwicklung nichts ändern. Menschen wie Trey Ratcliff mit mehr als 8 Millionen Followern und fast 77 Milliarden (!) Bildabrufen – zum grössten Teil über den Bildschirmschoner des Chromecast – werden der Plattform auch weiterhin treu bleiben – oder in Zukunft einfach beide Dienste ausprobieren.
Quelle: bloomberg.com