Wie einige von euch wissen, bin ich ja — im weitesten Sinne — Teil der sogenannten “Schwarzen Szene”. Das äußert sich heute aber eigentlich nur noch dadurch, dass ich meistens dunkle Klamotten trage, die Szene-übliche Musik höre und die entsprechenden Veranstaltungen besuche. Die Zeiten mit ausgefallenen Outfits, gefärbten Haaren (oder generell Haaren ^^) und geschminktem Gesicht sind bei mir schon was länger her.
Nichtsdestotrotz ist diese Subkultur immer noch weltweit sehr verbreitet. Hierzulande schauen Menschen auch auf Personen, die mit auffälligem Make-Up und dementsprechenden Outfit durch die Stadt marschieren, aber dennoch muss man sich als bekennender “Grufti” oder Goth keine Sorgen machen, ob oder wie man sich in der Öffentlichkeit bewegt.
In China ticken die Uhren da ein klein wenig anders. Generell hat die Regierung dort nicht viel Freude an Subkulturen und bei den Gothics macht man da natürlich keine Ausnahme. Jetzt allerdings scheint man den Bogen ein wenig zu überspannen, zumindest an der U-Bahn in der chinesischen Provinz Guangzhou.
Dort wurde nämlich einem weiblichen Goth aufgrund ihres Make-Ups der Zugang zur U-Bahn verwehrt. Ihr Look wäre “zu problematisch und erschreckend”, sagte man ihr als Begründung. Das ließ sie nicht auf sich sitzen und postete bei Weibo, was ihr eben widerfahren ist. Zudem stellte sie fest, dass sie nicht die einzige Person war, der so etwas passiert ist.
Ihr kennt das Spiel im Internet: Bei so einer Geschichte solidarisieren sich sehr schnell viele Menschen und so entstand in China daraus eine Bewegung, bei der tausende Menschen ihre Solidarität mit der Frau bzw. den Protest gegen die Diskriminierung durch die Guangzhou Metro zeigen, indem sie Selfies veröffentlichen. Selfies im Gothic-Look, versteht sich.
Wie Quartz berichtet, finden sich unter dem Hashtag #为广州地铁发自拍# (“macht Selfies für die Guangzhou metro”) bereits jetzt 6.000 Beiträge und das Hashtag verzeichnet über fünf Milliarden Views. Die Guangzhou Metro hat sich mittlerweile auch öffentlich entschuldigt und erklärt, dass man den zuständigen Mitarbeiter zwecks Umschulung erst einmal aus dem Verkehr gezogen hat.
Eigentlich könnte die Geschichte hier zu Ende sein: Mensch wird diskriminiert, andere solidarisieren sich, das Unternehmen entschuldigt sich und gelobt Besserung – fertig aus. Dass ich da dennoch weiter drüber nachdenke, hängt mit einer anderen Nachricht zusammen, bei der es um die selbe U-Bahn-Gesellschaft geht. Hier könnt ihr lesen, worum es geht, aber ich fasse es euch natürlich kurz zusammen: An einigen Stationen wird dort nämlich zur Kontrolle ein Gerät zur Gesichtserkennung getestet.
Bahnkunden erhalten vorher einen QR-Code aufs Smartphone für die normale Sicherheitskontrolle und marschieren dann anschließend durch diese Gesichtserkennung. Ihr kennt ja die Geschichte mit den Social Skills in China: Wer genügend Punkte hat, genießt mehr Reisefreiheit usw. Und so ähnlich läuft das hier auch – wer genügend Punkte auf seinem Konto hat, kommt in die Fast Lane, betritt die U-Bahn also früher.
Das funktioniert bisher eher so mittel, denn gerade zu den Stoßzeiten bilden sich Schlangen, die oft Hunderte Meter lang sind – da ist dann auch nicht viel mit Fast Lane. Aber interessanter finde ich in diesem Zusammenhang mit der anderen Story, dass die Gründe für die obige Diskriminierung vielleicht nicht die ist, dass ein auffällig geschminktes Gesicht schrecklich aussieht oder problematisch, sondern dass es maschinell nicht erkannt werden kann.
Wenn man das jetzt weiterdenkt, kann man sich mal überlegen, wohin uns so etwas führen könnte, gerade bei Leuten, die sich in ihren Subkulturen austoben, indem sie sehr oft die Outfits wechseln und Tag für Tag komplett anders aussehen können.
Könnt ihr diesen Gedankengang und den Zusammenhang, den ich sehe, nachvollziehen, oder ist das für euch zu weit hergeholt? Ich jedenfalls liebe den technischen Fortschritt, aber durch so eine Gesichtserkennung will ich vielleicht erst dann latschen, wenn ich weiß, dass sie technisch so hochwertig ist, auch ein auffällig geschminktes Gesicht zuverlässig zu erkennen. Unabhängig davon bin ich aber definitiv kein Freund davon, dass unterschiedliche Menschen aufgrund eines nur schwierig nachvollziehbaren Punktesystems ungleich behandelt werden.