Für meinen Geschmack finden die Ereignisse in Hongkong nach dem Erlass des neuen Sicherheitsgesetzes medial deutlich zu wenig statt. Klar — man kann nicht jeder Krise auf dem Planeten gleich viel Sendezeit einräumen, dennoch würde ich mir wünschen, dass das die westlichen Medien mehr auf dem Schirm hätten, was in Hongkong passiert.
So hat man hier nur sehr wenig davon mitbekommen, dass es am Wochenende inoffizielle Wahlen in Hongkong gegeben hat. Bei diesen Wahlen werden die Kandidaten der Opposition für die Parlamentswahl ermittelt, die am 6. September stattfinden soll. Das prodemokratische Lager kämpft für ein Selbstbestimmungsrecht der chinesischen Sonderverwaltungszone — was wiederum der Regierung in China so gar nicht in den Kram passt.
Daher wird man in China auch nicht happy sein über die überraschend hohe Wahlbeteiligung, die bei knapp 600.000 Menschen gelegen haben soll, wie die Tagesschau berichtet. So eine rege Teilnahme ist vor allem deswegen erstaunlich, weil diese Wahl laut neuem Sicherheitsgesetzt gar nicht mehr rechtens wäre.
Dieses neue Gesetzt ist bewusst schwammig formuliert, so dass die Behörden enorm viel Spielraum haben, um ein vermeintliches Vergehen als Umsturzversuch zu werten, oder als Terrorismus und/oder Hochverrat. Jeder Hongkonger riskierte also tatsächlich richtig was, als er bewusst an dieser Vorwahl teilnahm.
Ich möchte jetzt speziell auf die Rolle von Apple hinaus bei dieser Vorwahl. Konkret geht es um eine App namens PopVote, die als Wahl-Plattform bei der Auswertung der Wahl in Hongkong eine große Hilfe gewesen wäre. Während sie bei Android direkt durchgewunken wurde, wurde sie im App Store von Apple zurückgewiesen. Wie es heißt, haben die Entwickler binnen Stunden auf die Einwände reagiert und den Code angepasst — allerdings härte man seitdem nichts mehr seitens Apple.
Keine Überraschung also, dass die Demonstranten in Hongkong und die Developer der App nun Apple unterstellen, Zensur zu betreiben und sich damit auf die Seite Chinas zu schlagen. Beweisen lässt sich das freilich nicht und Apple gibt logischerweise zum Thema keine Auskunft. Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art, bei dem Apple unangenehm aufgefallen ist. Auch die App „Hkmap Live“ hat Apple damals aus dem Store geworfen, eine App, die Demonstranten über Polizeibewegungen informieren sollte. Später dann gab es dann doch grünes Licht für den App Store.
Auf Wunsch Pekings zensiert Apple regelmäßig Apps in seinem chinesischen App-Store, berichtet Quartz. Darunter befinden sich Dutzende von VPNs (2017), ebenso die Quartz-App im vergangenen Jahr. Außerdem entfernte Apple für Benutzer in Hongkong und Macao das taiwanische Flaggen-Symbol von seiner TastaturSoftware. Man muss also kein Verschwörungstheoretiker sein, um auf die Idee zu kommen, dass es auch dieses mal einen Grund dafür geben könnte, dass TopVote nicht im App Store ist — und ja: Natürlich ein Grund, der nichts mit irgendwelchem Problemen im Programmiercode zu tun hat.
Muss man Verständnis für Apple haben, dass das Unternehmen so handelt? Also gesetzt den Fall, dass es tatsächlich keine technischen und berechtigten Beanstandungen gibt, kann man natürlich den wirtschaftlichen Aspekt berücksichtigen. China ist als Markt unglaublich wichtig für Apple, unbestritten. Dennoch glaube ich nicht, dass man deswegen so weit in den Hintern der chinesischen Regierung kriechen, dass man fast nicht mehr weiß, wo der eine Hintern aufhört und der andere anfängt.
Apple legt hier einen Tanz auf der Rasierklinge hin, denn man möchte natürlich erfolgreich wirtschaften, biedert sich deshalb bei China an — und hat aber im eigenen Land gleichzeitig auch noch Trump im Nacken, der auf China gerade so gar nicht gut zu sprechen ist. Das Traurige dabei: Die Menschen, um die es dabei geht — Menschen, die einfach nur in Freiheit und in Frieden in Hongkong leben möchten — spielen in diesem Machtspiel anscheinend nur eine untergeordnete Rolle. Damit wären wir wieder am Anfang der Geschichte und meinem frommen Wunsch, dass wir mehr darüber hören und sehen könnten, was da in Hongkong derzeit abgeht.
Ich bin ja bekanntlich ein großer Taiwan-Fan und als solcher habe ich auch um dieses wundervolle Land Angst. So wie Hongkong betrachtet China nach wie vor auch Taiwan als sein Eigentum und das könnte schlimmstenfalls bedeuten, dass diese Streitigkeiten und der Machtanspruch Chinas auch wieder rüber nach Taiwan schwappen könnte. Mittelfristig wünsche ich mir, dass sich Europa und speziell auch Deutschland hier deutlicher positioniert und China auf die Finger klopft. Aber für den Anfang würde es mir auch schon reichen, wenn Unternehmen wie Apple den Aktivisten in Hongkong nicht noch unnötig Steine in den Weg werfen.