Wir wissen alle um die Lage, in die Huawei von der US-Regierung gebracht wurde und haben oft genug darüber berichtet und spekuliert, wie es mit dem Unternehmen weitergeht. Die Chinesen verfallen aber keineswegs in Schockstarre, sondern zeigen auf der Huawei Developer Conference, wie man sich die Zukunft vorstellt.
Ein wichtiger Teil dieser Zukunft soll auch ohne US-Technologien und ohne Google-Dienste das Smartphone sein. Auch, wenn die Situation aktuell eine sehr üble ist, ist man sich bei Huawei sicher, dass man den Karren auch wieder aus dem Dreck gezogen bekommt. Damit das klappen kann, muss man sich nach eigener Einschätzung von Android lösen.
Der passende Pfeil, den Huawei dafür im Köcher hat, heißt Harmony OS und wird schon länger als Android-Alternative genannt. Huawei hat sich dieses System grundsätzlich für das Internet of Things ersonnen, aber bereits im letzten Jahr davon gesprochen, dass man sich ein Ökosystem vorstelle, bei dem dieses Betriebssystem seinen Weg auch auf Smartphones und Tablets finden soll.
Bislang findet man Harmony OS lediglich auf einer Handvoll Fernsehern, aber das soll sich nach jüngsten Aussagen bereits im nächsten Jahr ändern. Huaweis Smartphone-Chef Richard Yu erklärte nämlich, dass das OS, welches bislang nur Hardware mit sehr überschaubarem Arbeitsspeicher unterstützt, bereits im nächsten Jahr Geräte mit bis zu 4 GB RAM unterstützen wird — und somit der Weg frei ist, um Smartphones und Tablets mit Harmony OS auszustatten.
Er kündigte diese Geräte zwar für 2021 an, ließ dabei aber nicht durchblicken, ob es ein harter Wechsel gibt, oder ob man für den Übergang nicht vielleicht auf eine Dual-Boot-Variante setzt. Ebenso wissen wir nicht, ob der Termin zunächst für den heimischen Markt in China gilt oder international. Klar ist hingegen, dass Harmony OS zunächst nur auf Einsteigermodellen stattfinden wird. Aber auch hier blickt man in die nicht zu ferne Zukunft und will dann auch die Premium-Smartphones mit Harmony OS bestücken.
Huaweis Strategie mit Harmony OS setzt auf zwei Säulen: Einmal wird das OS universell sein, also geräteübergreifend einsetzbar sein. Harmony OS soll so auf Smartphones und Tablets, ebenso aber auf Wearables, Fernsehern und in Kühlschränken zum Einsatz kommen. Zum anderen ist Harmony OS Open Source und Huawei setzt große Hoffnung darauf, dass sich weitere Unternehmen anschließen, um Teil des Harmony-OS-Ökosystems zu werden.
Sollte das gelingen, was zumindest für den heimischen Markt gar nicht mal so unrealistisch erscheint, könnte man sich vielleicht tatsächlich neben Android und iOS als dritte Kraft etablieren. Bereits jetzt berichtet man von mehr als 800 Partnern, die man für Harmony OS gewinnen konnte und noch Ende dieses Jahres sollen Entwickler-Kits für Smartphones ausgeliefert werden. Etwa ein Jahr später dann erhofft man sich bei Huawei, dass die ersten Harmony-Smartphones startklar sind.
Aktuell ist das Bild noch ziemlich diffus und wir können nicht so ohne Weiteres erahnen, wie erfolgreich Huawei mit diesem Weg sein wird. Dafür gibt es noch zu viele Variablen, die wir noch nicht kennen — beispielsweise wissen wir nicht, wie sich Huawei entscheiden wird, sollte man doch wieder voll auf Android setzen dürfen. Dazu passt auch, dass man seine EMUI-Software bei der HDC ebenfalls in einer neuen, verbesserten Version zeigte und somit zumindest mittelfristig definitiv noch mit Android plant.
ich deutete es unlängst in einem anderen Artikel über Huawei an: Sollte Huawei hier tatsächlich ein eigenes Ökosystem etablieren, auf das zumindest viele chinesische Hersteller anspringen, hätte der US-Präsident ein Eigentor geschossen, welches selbst für seine Verhältnisse fatal ausfällt und der US-Tech-Blase schwer im Magen liegen dürfte.