Ein chinesisches Smartphone, welches in Europa ohne Google-Software vertrieben wird. Spätestens, seit die US-Regierung China allgemein und Huawei im Speziellen auf seiner Abschussliste hat, ist das ein Szenario, mit dem sich auch andere Hersteller aus China auseinandersetzen müssen.
Natürlich richtet sich Trumps Zorn zunächst einmal gegen Huawei, was aber wohl mehr mit der 5G-Technologie und generell Huaweis Netzwerk-Technologien zu tun hat als mit den Smartphones. Fakt ist dennoch, dass sich Huawei überlegen muss, wie man ohne Google-Apps trotzdem am Markt bestehen kann. Lange Rede, kurzer Sinn: Jedes chinesische Unternehmen muss befürchten, dass man auch unters US-Embargo fällt und sich deshalb am besten im voraus dagegen wappnen.
Laut einer Reuters-Meldung geschieht derzeit genau das. Reuters, so viel vorab, beruft sich hier auf Quellen, die den entsprechenden Unternehmen nahe stehen wollen, offiziell bestätigt das Folgende noch keiner. Aber wenn diese Quellen richtig liegen, haben sich mit Huawei, Xiaomi, Oppo und Vivo gleich vier chinesische Smartphone-Riesen zusammengetan, um gemeinsam die sogenannte “Global Developer Service Alliance” (GDSA) zu gründen.
Ziel dieser Initiative soll es sein, eine Plattform für Entwickler zu schaffen, auf der diese einheitliche Apps einreichen können, die dann auf allen Smartphones der GDSA-Unternehmen laufen. Es wird also nicht einen einheitlichen Store geben, den alle als Google-Play-Alternative nutzen, sondern eine Plattform, die ermöglicht, dass eine App ohne Anpassungen auf allen Geräten eingesetzt werden kann. Es geht also darum, dass jeder chinesische Anbieter eine Play-Store-Alternative einsetzen und somit Google umgehen kann und trotzdem Developern nicht zumuten muss, dass sie für x verschiedene Stores eigene Varianten ihrer App programmieren müssen.
Vivo und OPPO haben mit BKK die selbe Konzernmutter, unter deren Dach auch OnePlus beheimatet ist. Daher dürfen wir wohl annehmen, dass diese Allianz auch für OnePlus künftig eine Heimat bieten wird. Auch, wenn abgesehen von Huawei die Mitglieder der GDSA in Deutschland bislang keiner breiten Masse bekannt sind, gehören diese Unternehmen zu den größten Herstellern der Welt — nahezu jedes zweite verkaufte Smartphone geht aktuell auf ihr Konto.
Dem Report zufolge hat der Verbund erst einmal neun Regionen ins Auge gefasst. Eine Canalys-Managerin erklärt dazu:
Durch die Bildung dieser Allianz wird jedes Unternehmen versuchen, die Vorteile der anderen in verschiedenen Regionen zu nutzen, wobei Xiaomi in Indien, Vivo und Oppo in Südostasien und Huawei in Europa über eine starke Nutzerbasis verfügen. Nicole Peng, Vizepräsidentin für Mobilität bei Canalys
Die teilnehmenden Unternehmen würden also doppelt profitieren können nach dieser Einschätzung: Einmal, weil man sich von Google unabhängiger macht und ein mächtiges Gegengewicht zum Play Store etablieren könnte — und man würde vom Bekanntheitsgrad der Mitstreiter in bestimmten Regionen profitieren können. So, dass Huawei sowas wie ein Türöffner für Vivo und Co in Europa sein könnte.
Das ist schon eine dicke Nummer, wenn die dann tatsächlich offiziell bestätigt und umgesetzt wird. Geplant sei der Start bislang für März 2020, wobei hier allerdings noch keine eventuellen Verspätungen eingepreist sind, die sich durch das Coronavirus ergeben könnten.
Persönlich stelle ich mir die Frage, ob Google sich — wenn es denn tatsächlich so kommt — mit einem sarkastischen Dankeschön an Donald Trump wendet. Schließlich wäre es ja dann wohl ihm und seiner Handelspolitik zu verdanken, dass chinesische Konkurrenten jetzt gemeinsame Sache machen und einen Gegenpol zu Google schaffen, den es sonst nicht gegeben hätte. Ob man den dann vielleicht sogar für App-Entwickler spannender als Google Play gestaltet, indem man zum Beispiel eine bessere Vergütung anbietet, bleibt abzuwarten.
Der geschätzte Kollege Denny von SmartDroid.de stellt sich eine andere spannende Frage: Was, wenn Samsung sich ebenfalls an der Allianz beteiligen würde, also ein koreanisches Unternehmen, welches immer für etwas mehr Unabhängigkeit von Google zu haben ist. Darüber und die anderen Punkte können wir noch zumindest solange nachdenken, bis es offizielle Bestätigungen gibt. Wir werden das mit Sicherheit im Auge behalten und euch auf dem Laufenden halten.
Quelle: Reuters via Business Insider