Die Entscheidung der großen Tech-Firmen, keine Gesichtserkennungstechnologie an die Polizei zu verkaufen, steht im direkten Zusammenhang mit den derzeit immer noch anhaltenden Black Lives Matter Protesten. Mit ihnen geht eine Empörungswelle über Polizeigewalt und Rassismus in staatlichen Organisationen einher. Sie haben damit ein verstärktes öffentliches Bewusstsein dafür geschaffen, dass rassistische Vorurteile auch in Algorithmen festgehalten werden können. Nämlich dann, wenn Täterprofile von Kriminellen oder illegalen Einwanderern Menschen mit bestimmtem ethnischen Hintergrund verdächtiger erscheinen lassen als andere.
Die allgemeine Empörungswelle erreicht nun auch Bereiche, die vielleicht nicht im direkten Zusammenhang mit dem Rassismusproblem unserer Gesellschaften gesehen werden. Damit sind nun auch die Chef-Etagen größerer Tech-Firmen zu Reaktionen gezwungen. Den Anfang machte dabei IBM. Das Unternehmen verkündete bereits am Montag, dass es seinen Verkauf der Technologie an Behörden auf unbestimmte Zeit auf Eis lege. Amazon folgte am Mittwoch mit einem einjährigen Aussetzen des Verkaufs an Polizeibehörden. Microsoft ging am Donnerstag noch einen Schritt weiter und sagte aus, dass es erst wieder an öffentliche Polizeistellen verkaufen würde, sobald der Gesetzgeber den Gebrauch der Technologie für Autoritäten verbindlich regulieren würde.
Für viele kommt das plötzliche Umdenken bei den großen Tech-Firmen unerwartet. Bürgerrechtler und Intellektuelle warnen schon seit Jahren vor Gefahren und Missbrauch von intelligenter Gesichtserkennung. Das Argument, dass es dabei zur Verfestigung von rassistischen Vorurteilen kommen würde, ist dabei ebenfalls nicht neu. Es ist aber auch nur eines von vielen guten Gründen, die gegen die Gesichtserkennung sprechen. Zu Beginn der Corona-Krise meldete sich so zum Beispiel Edward Snowden mit den warnenden Worten, dass wir mit der Überwachungstechnologie „die Architektur der Unterdrückung“ errichten würden.
Es ist offensichtlich, dass Amazon, Microsoft und IBM lediglich auf einen fahrenden Zug aufspringen. Es bleibt damit zutiefst fragwürdig, wie effektiv und nachhaltig diese Entscheidung der Tech-Firmen sein wird. Zumal selbst bei staatlicher Regulation tiefe Brüche der Bürgerrechte durch NSA, FBI etc. dennoch alltägliche Praxis sind. Das Rassismus-Problem ist mit der Abschaffung der Sklaverei nicht aus der Gesellschaft geschaffen worden und wir werden wohl noch unbestimmt lange mit diesem Problem zu kämpfen haben. Ähnlich dürfte es wohl auch mit Überwachung und speziell der Gesichtserkennung laufen.