Eine Studie von Jugendschutz.net zur Frage, wie schnell und wie viele strafbare Inhalte in sozialen Netzwerken nach der Meldung durch Nutzer gelöscht werden, dient als Grundlage, warum es das Netzwerkdurchsetzungsgesetz bräuchte. Die Studie hätte ergeben, dass weiterhin viel zu wenig und viel zu langsam gelöscht würde. Wenn man die Zusammenfassung liest, dann klingt das ja auch erschreckend:
Die Studie hat nur einen kleinen, aber dafür umso gemeineren Haken: Sie taugt nicht für die Fragestellung. Dieser kleine Haken macht die Studie als Begründung für das Netzwerkdurchsetzungsgesetz nicht nur unbrauchbar, sie lässt Heiko Maas auch ziemlich dumm dastehen. Schließlich bezieht er sich ja auf diese Untersuchung von Jugendschutz.net, obwohl es offensichtlich ist, dass das Ergebnis nichts wert ist. Zumindest nicht für die Fragestellung.
Prof. Dr. Marc Liesching hat sich sehr intensiv mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz befasst und auch vom Bundesjustizministerium Einblick in die fragliche Studie auf Basis einer IFG-Anfrage erhalten. Nach einer sehr ausführlichen Darlegung, warum das Bundesverfassungsgericht das Gesetz kippen würde, folgt nun also noch die Feststellung, dass die einzige Argumentationsgrundlage für die Notwendigkeit des Gesetzes nichts wert ist.
Zuerst einmal wurden in der Studie nur zwei der im Gesetz vorgesehenen 24 Straftatbestände getestet. Das ist schon eine ziemliche Einschränkung, schließlich wäre es ja durchaus möglich, dass man dabei zufällig die beiden Straftatbestände erwischt, die besonders schwer zu beurteilen sind und die Zahlen dadurch verfälscht wären. Dieser Gedanke ist dabei gar nicht mal so abwegig, wenn man weiter erfährt, dass die Bewertung der Fälle von Laien durchgeführt wurde und nur in „Zweifelsfällen“ Volljuristen geprüft haben. Als wäre es noch nicht genug, waren die meisten Fälle (140 von 180) dieser Studie vermeintliche Fälle von Volksverhetzung. Ein Straftatbestand, der nach Aussage von Prof. Dr. Marc Liesching selbst für Strafrechtler kompliziert zu bewerten sei.
Und hier kommen wir zur Ohrfeige für Heiko Maas und sein Ministerium:
Ich persönlich halte es für ausgeschlossen, dass Rechtslaien den Tatbestand des § 130 StGB im Einzelfall gerichtssicher subsumieren können. Gerade hierauf fokussiert fast alleine die strafrechtliche Bewertung der nicht juristisch ausgebildeten Mitarbeiter. Prof. Dr. Marc Liesching
Andererseits, man kann dann doch noch eins drauf setzen: Es sieht so aus, als wäre zu keinem der 180 Fälle ein Strafverfahren eröffnet worden. Also in Fällen, in denen es doch angeblich um eindeutig strafbare Inhalte gegangen sein soll. Und dann keine Strafanzeige? Warum? Man weiß es nicht… Möglicherweise wäre es langsam angebracht, dass Heiko Maas aufhört irritiert zu sein, sondern sich mal ernsthaft mit der Kritik an seinem Gesetzentwurf auseinandersetzt.
Aber vielleicht mag sich Heiko Maas damit trösten, dass Facebook ihm prima Argumente für ein anders, besser gemachtes Gesetz geliefert hat – ausgerechnet beim Versuch, gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu argumentieren. SPON liegt das Schreiben von Facebook vor und stellt fest, dass Facebook hier – man kann davon ausgehen, dass das unbeabsichtigt passiert ist – wunderbare Argumente für eine gesetzliche Regulierung liefert. Natürlich keine Argumente für ein schlechtes Gesetz, das in die Grundrechte eingreift und nicht abzusehende Kollateralschäden mit sich bringen wird, aber für ein gut gemachtes Gesetz, dass Vorgaben macht, wie soziale Netzwerke mit Meldungen ihrer Nutzer umgehen sollen und wie die Mitarbeiter für die Prüfung solcher Inhalte zu schulen und zu betreuen sind.
Beitragsfoto: By Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0, Link