So ziemlich alles im Leben hat zwei Seiten. Gerade bei Technologie beobachten wir das regelmäßig. Ein schönes Beispiel dafür ist Beleuchtung: Die LED-Entwicklung sorgt dafür, dass Beleuchtung variabler wird, nachhaltiger durch die längere Haltbarkeit und im Endeffekt auch günstiger. Aber genau der gesunkene Preis stellt andererseits ein Problem dar. Wenn nämlich Unternehmen auf eine Art der Beleuchtung umstellen, die deutlich günstiger ist als zuvor, ist die Chance signifikant größer, dass man das Licht aus Werbezwecken einfach auch über Nacht anlässt, beispielsweise bei Werbetafeln.
Wie sich sowas äußert, sieht man in unserem Nachbarland Niederlande besonders gut. Hier gibt es nämlich eine besonders hohe Bevölkerungsdichte und das Land ist mit Autobahnen, Industrie und beleuchteten Gewächshäusern völlig übersät. Das Resultat daraus ist eine Lichtverschmutzung, die dafür sorgt, dass selbst in klaren Nächten in den niederländischen Städten gerade einmal zehn Prozent der Sterne erkennbar sind, die normalerweise von der Erde aus betrachtet werden können.
Dem will man entgegenwirken und zelebriert daher einmal im Jahr im Oktober die „Nacht van de Nacht“ statt, also die Nacht der Nächte. Es gibt dort dann im ganzen Land Hunderte Aktionen, alle mit dem einen Zweck: Der Nacht wieder die Dunkelheit zurückgeben. So wurden beispielsweise Sterne beobachtet, Restaurants veranstalteten Candle light Dinner und es wurden Nachtspaziergänge in Wäldern organisiert.
Kombiniert werden solche Unternehmungen in Workshops, die sich u.a. an die Industrie wenden, damit herausgearbeitet werden kann, wo es möglich ist, künftig auf Licht zu verzichten. Nach dem Motto: „So viel Dunkelheit wie möglich, so viel Licht wie notwendig“ will man Unternehmen dazu bringen, eben möglichst auf Licht in der Nacht zu verzichten.
Logischerweise geht es nicht darum, Menschen durch zu viel Dunkelheit in Gefahr zu bringen, aber beispielsweise kann man nachts Werbetafeln abschalten. Interbest ist eines der größten Unternehmen in den Niederlanden diesbezüglich und hat in einer Studie herausgefunden, dass nur zwei Prozent der Zielgruppe nachts überhaupt die Werbung wahrnimmt, die Interbest an den Autobahnen auf großen Werbetafeln zeigt. Das konsequente Resultat daraus: Jede Nacht zwischen ein und fünf Uhr schaltet man diese Tafeln einfach komplett ab.
Das niederländische Ministerium für Infrastruktur und Wasserwirtschaft hat auch damit begonnen, das Licht an Autobahnabschnitten auszuschalten, an denen sich pro Stunde weniger als 50 Autos blicken lassen. Jahr für Jahr ist die Lichtverschmutzung in unserem Nachbarland schlimmer geworden, endlich tut sich aber was und findet ein Umdenken statt. Die technischen Möglichkeiten werden jetzt auch dafür genutzt, dass man effizienter beleuchtet, also das Licht nach unten richtet, auf wärmere Farbtöne setzt und/oder das Licht dimmt.
Diese Nacht der Nächte erzielt damit wirkliche Erfolge. Dieses Jahr war es leider sehr bedeckt, in den Vorjahren konnten viele Bürger in diesen Nächten tatsächlich mal wieder die Milchstraße sehen. Wir sollten die Nummer mit der Lichtverschmutzung auch durchaus ernst nehmen. Es geht hier nämlich nicht primär um die romantische Vorstellung, die Sterne besser sehen zu können, sondern darum, dass das Licht — und ebenso die Dunkelheit — jeweils einen Impact auf Pflanzen und Lebewesen haben. Auch wir Menschen brauchen diese Phasen, die unser Körper zur Regeneration nutzt. Erst recht gilt das für Tiere, die sich dem Licht oft nicht so einfach entziehen können und die dann faktisch darunter leiden.
Nachhaltigkeit und Umweltschutz haben sehr viele Gesichter — das Vermeiden oder Reduzieren von Lichtverschmutzung ist eines davon und die niederländische Nacht der Nächte ist ein sehr schönes Event, um Awareness bei den Menschen zu wecken. Ähnlich läuft das ja auch bei der ebenfalls jährlichen Earth Hour. Dort geht es aber nur darum, einmalig im Jahr eine Stunde auf Licht zu verzichten, während die Nacht der Nächte auch darauf abzielt, langfristige Erfolge zu bringen und Menschen und Unternehmen zum Umdenken zu bewegen. Im Endeffekt will man also dafür sorgen, dass es generell wieder dunkler wird und nicht nur an einem bestimmten Tag im Jahr. Absolut unterstützenswerte Idee, die noch viel mehr Unterstützer verdient hätte.
via Citylab