Konzerte, Ticketverkäufe, Ticketkontrollen — ich glaub, über diese Themen kann man ganze Romane schreiben, gerade wenn man selbst viele Konzerte besucht. Wir können diskutieren, wie Karten verkauft werden, wie Unternehmen versuchen, den Schwarzmarkthandel in den Griff zu bekommen, wie bei Events für mehr Sicherheit gesorgt werden kann, wie man den exzessiven Smartphone-Gebrauch während der Veranstaltungen eindämmt und vieles mehr.
Bei vielen dieser Themen stößt man fast zwangsläufig auf Live Nation Entertainment, das laut eigener Aussage „führende Live-Entertainment- und eCommerce-Unternehmen der Welt“, zu dem seit 2010 auch Ticketmaster gehört. Durch seine Marktmacht hat das Unternehmen fast schon ein Ticket-Monopol inne — auch ein Thema, welches man diskutieren und absolut auch kritisieren kann. Fakt ist aber, dass Neuerungen, die von Ticketmaster/Live Nation eingeführt werden, durch diese Macht einen riesigen Impact auf viele Millionen Konzertgänger hat.
Das ist auch der Grund, wieso man genau hinhören sollte, wenn Live Nation uns erzählt, dass man mit Blink Identity ein Unternehmen übernommen hat, welches auf Gesichtserkennung spezialisiert ist. Ticketmaster arbeitet mit der Software-Lösung Ticketmaster Presence bereits daran, das klassische Papier-Ticket in den wohlverdienten Ruhestand zu schicken. Allerdings setzt diese Software-Lösung immer noch voraus, dass der Konzertbesucher die notwendigen Ticket-Informationen auf seinem Smartphone, einer Smartwatch oder einem Smart-Ticket (Kreditkarten-Größe mit integriertem Chip) bei sich trägt.
Durch die Übernahme hat Ticketmaster jetzt schon den nächsten Schritt im Blick: Ihr könnt eine Arena betreten, ohne dass ihr überhaupt noch ein Ticket vorzeigen müsst. Ihr marschiert demzufolge einfach rein, weil euer Gesicht von der Technologie automatisch als legitimierter Konzertbesucher identifiziert wird. Überlegt euch einfach selbst mal, ob ihr das klasse oder creepy findet.
Blink Identity (Blink = zwinkern, blinzeln) heißt so, weil Gesichter binnen einer halben Sekunde — also einem Wimpernschlag — erfasst und mit einer Datenbank abgeglichen werden können. Ihr müsst nicht einmal langsamer gehen, marschiert also einfach rein. Gegebenenfalls wird von der Technologie auch ein Drehkreuz oder eine Tür aktiviert, so dass ihr passieren könnt. Ebenso kann die Technik übrigens auch in Unternehmen eingesetzt werden, wo dann auch die exakten Anwesenheitszeiten von Mitarbeitern auf diese Weise erfasst werden. Ebenso können ungewünschte Gäste in Form von verdächtigen Personen identifiziert werden und es wird automatisch die Security alarmiert.
Das ist natürlich alles tatsächlich unglaublich bequem und technisch eine tolle Geschichte, aber angesichts der Daten-Diskussionen, die wir gerade in letzter Zeit immer verschärfter führen, müssen wir schon darauf hinweisen, dass auch diese so aufregend glänzende Medaille zwei Seiten hat. Wollen wir tatsächlich, dass ein Unternehmen wie Ticketmaster jährlich die Daten von Millionen Konzertbesuchern abgreift und hortet? Das unangenehme Gefühl in der Magengegend wird übrigens nicht geringer durch das Wissen, dass die Gründer von Blink Identity auch jahrelang Systeme für das US-Verteidigungsministerium entwickelt haben.
Erstaunliches Timing übrigens: Zeitgleich zur Ankündigung von Ticketmaster hat übrigens auch Nathan Hubbard, Ex-Ticketmaster-CEO, den Startschuss für sein neues Unternehmen Rival ertönen lassen. Was Rival macht? Man möchte das digitale Ticketing praktischer und sicherer machen und setzt dabei ebenfalls auf Gesichtserkennung. Gewöhnt euch also schon mal langsam an den Gedanken, dass wir auf Zeiten zurauschen, in denen ihr nicht mehr unbemerkt einen Konzertabend verleben könnt.
PS: Wie viel Zeit spart man durch die Gesichtserkennung eigentlich wirklich? Es kostet mich relativ wenig Zeit, ein Ticket vorzuzeigen oder zu scannen — wesentlich mehr Zeit verbringt man doch mit den Leibesvisitationen. Die werden natürlich auch durch Gesichtserkennung künftig nicht obsolet, so dass ich denke, dass der ganze Prozess nicht deutlich schneller wird.
Quelle: Live Nation via Gizmodo