Meine Fresse, was habe ich mich für die E-Scooter hier in die Schlacht geworfen. Nicht, weil man das Gefühl hat, auf Hypes aufspringen zu müssen, sondern weil ich davon überzeugt bin, dass die Verkehrswende ganz groß gedacht werden muss und dennoch aus vielen kleinen Stellschrauben bestehen wird. Soll heißen, dass man die Innenstädte nicht verändert, wenn man nur die Diesel aus der City verbannt, nur auf Radwege setzt, nur öffentliche Verkehrsmittel fördert usw.
Es müssen viele Zahnräder ineinander greifen und der E-Scooter ist für mich nach wie vor eines dieser Zahnräder und perfekt für die Bewältigung der letzten Meile. Dennoch ist in den letzten Monaten nahezu weltweit der Unmut gewachsen, was die kleinen Flitzer angeht. Das liegt nicht etwa daran, dass die Technologie nicht taugt oder die Verleih-Systeme Mist sind. Nein, es liegt an uns — den Nutzern!
Aber der Reihe nach: In diesen Tagen macht die Nachricht die Runde, dass Monreal keine Genehmigungen mehr rausrückt für die Verleiher von E-Scootern. Die Begründung ist nachvollziehbar: Im letzten Jahr durften die Anbieter Bird und Lime im Rahmen eines befristeten Pilotprojekts für drei Monate ihre elektrischen Roller zum Verleih anbieten. Danach dann würde man sich zusammensetzen und entscheiden, ob das Projekt erfolgreich war oder nicht — und dementsprechend auch darüber verfügen, wie es weitergeht auf Montreals Straßen.
Die Erfahrungen in der kanadischen Stadt waren leider ebenso, wie wir es hierzulande beobachten: Roller werden nicht dort abgestellt, wo sie abgestellt werden sollen und versperren somit oftmals den Weg oder werden gar zur Stolperfalle. Die Nutzer parken aber nicht nur falsch, sondern missachten auch die Regeln. So weigert sich die Mehrzahl der Roller-Fahrer, die dort geltende Helmpflicht einzuhalten — unterm Strich stehen über 320 Bußgeldverfahren.
Ansonsten passieren dort exakt die Dinge, die hier auch passieren: Die Leute fahren besoffen oder zu zweit, halten sich nicht an die Verkehrsregeln und gefährden Passanten und andere Verkehrsteilnehmer. Wie eingangs erwähnt: Ich hab hier versucht, so manche Lanze für Mikromobilität zu brechen und habe mich riesig gefreut, als die Dinger für deutsche Straßen zugelassen wurden. Mittlerweile ärgere ich mich auch riesig, wenn ich in der Stadt unterwegs bin, weil ich zwar immer auch E-Scooter sehe, die regulär genutzt werden, zumeist aber feststellen muss, dass die Dinger tatsächlich im Weg liegen, von mehreren Personen gleichzeitig genutzt werden — und dass sie vor allem abends/nachts von Suffköppen in der Fußgängerzone malträtiert werden, die nicht von A nach B wollen, sondern aus Jux und Dollerei immer wieder rauf und runter gurken.
Da verwundert es mich nicht, dass sich Montreal anders entschieden hat und erst einmal keine Genehmigungen vergibt. Stattdessen will man das Angebot an Fahrrädern und E-Bikes ausbauen. Grundsätzlich besteht natürlich weiterhin Interesse — immerhin konnte die Stadt in diesen 12 Wochen über 200.000 Fahrten auf Leih-Scootern verzeichnen, übrigens ohne einen einzigen wirklich schweren Unfall.
Damit ist das Konzept Mikromobilität also natürlich noch lange nicht am Ende — weder in Montreal, wo die Karren erst mal wieder aus den Straßen verschwinden, noch in Deutschland, wo aber auch über straffere Regeln für E-Scooter diskutiert wird. Vielmehr scheint es mir so, als wären wir — also diejenigen, die die Roller nutzen sollen — noch nicht wirklich reif für diesen Schritt.
Grundsätzlich glaubt man in Montreal, dass man das in den Griff bekommen könnte — wenn man nur zusätzlich Polizisten einstellen würde, um dieser Roller-Flut wieder Herr zu werden. Das ist dort aber keine Option und machen wir uns nichts vor: In Deutschland wird es in den meisten Städten ebenso aussehen.
ich möchte auch die Hauptschuld nicht bei den Anbietern suchen. Die waren zwar in Montreal während des Projekt-Zeitrahmens dafür verantwortlich, dass sich an die Regeln gehalten wird. Aber Lime und Bird können natürlich auch schlecht darauf achten, dass ihre Kunden die Verkehrsregeln einhalten. Lediglich bei an falschen Orten geparkten Scootern schritt man ein und parkte sie an den richtigen Stellen. Hilft aber alles nichts, Freunde — hier sind wir eben selbst gefragt.
Wenn ich manches mal spät nachts oder früh morgens nach Hause komme und die letzten Meter durch unsere Dortmunder Fußgängerzone schlendere, betrete ich so manches mal einen Pfad der Verwüstung. Da liegen — natürlich — alle paar Meter irgendwelche Roller, da werden Dutzende Mülltonnen hintereinander umgeschmissen und so weiter. Solange Menschen mit so einer Mentalität durch die Straßen irren und kein Verständnis dafür haben, dass irgendwer dafür bezahlen muss, wird sich daran auch nichts ändern. Und solange wir das zumindest teilweise auch bei den Nutzern von E-Scootern wahrnehmen, so lange wird es weiter Kritik und Protest geben und ja: Ich kann den Unmut mehr und mehr nachvollziehen.
Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, wie man es lösen möchte. Wir können nicht alle 50 Meter einen Polizisten aufstellen und wir wollen auch nicht nahtlos die Innenstädte mit Kameras überwachen. Mir tun die Menschen leid, die dafür gekämpft haben, dass die Roller in Deutschland auf die Straßen dürfen und diejenigen, die diesen Service gerne und ordnungsgemäß nutzen. Aber aktuell gehen mir echt die Ideen aus, wie man diese Roller weiterhin in ein funktionierendes Konzept zur Verkehrswende einbinden will. Habt ihr vielleicht Ideen? Dann raus damit!
via t3n