Den Account eines Anbieters auch für andere Anbieter zu nutzen, ist keine neue Idee. In den letzten Jahren haben sich vor allem zwei Anbieter hier breit gemacht: Facebook und Google. Jetzt gibt es eine deutsche Alternative: NetID. Der Dienst startet mit 60 Partnern. Er soll bewusst eine Alternative zu den amerikanischen Angeboten sein.
Warum gibt es kein europäisches Google und kein YouTube? Warum setzen alle auf die Dienste amerikanischer Anbieter und gibt es selten ernst zu nehmende Alternativen aus der EU? Fragen über Fragen, die die Industrie und auch die EU seit einigen Monaten immer wieder stellen – und sich damit beschäftigen. NetID tritt dazu an, eine mögliche Alternative für amerikanische Single-Sign-On-Dienste zu sein.
Dabei startet der Dienst der European NetID Foundation einige Wochen verspätet. Auf den Partnerseiten gibt es jetzt einen neuen unscheinbaren Button. Er bietet dem Nutzer an, sich mit NetID anzumelden. Das Versprechen der Stiftung ist ein klarer Angriff gegen die Konkurrenz – ein deutsches Login, ohne die Daten an Facebook oder Google zu überlassen. Dabei geht es nicht nur um potenzielle Sicherheit gegen Hacks, sondern auch um das Thema Datenschutz. Die Nutzerdaten sollen zentral auf europäischen Servern gespeichert werden.
Die NetID Foundation ist in diesem Fall kein eigenständiger ID-Anbieter, sondern versteht sich vielmehr als Schaltzentrale zwischen den teilnehmenden Unternehmen. Sofern ihr bereits einen Account bei 1&1, 7Pass, GMX, RTL oder Web.de habt, könnt ihr diesen Account sofort als euren zentralen Account nutzen. So sollen zum Start bereits 35 Millionen NetID-fähige Accounts im Umlauf sein.
Potenzielle Nutzer sollen durch die gebotene Transparenz von der neuen Idee überzeugt werden. Loggt ihr euch mit NetID bei einem neuen Dienst ein, erhaltet ihr sofort die Information, welche Daten tatsächlich an den neuen Dienst weitergeleitet werden. So soll sogar die Weitergabe einzelner Daten verhindert werden können. Die eigene ID kann auf einem zentralen Portal verwaltet werden. Dort ist es möglich, Services den Zugriff auch wieder zu entziehen.
Was bis hierher alles sehr positiv klingt, hat am Ende aber auch negative Seiten. In eurem Portal könnt ihr auch auswählen, ob eure Daten an alle Partner für Marketing weitergegeben werden sollen. Die Option ist per Default aktiviert – ihr müsst also aktiv widersprechen. Eine zentrale ID ist so für die Anbieter eine perfekte Möglichkeit, um gegen die neuen Maßnahmen der Hersteller, Cross-Site-Tracking zu verhindern, vorzugehen.
Wer deshalb von NetID Abstand nehmen möchte, sollte vielleicht bei Verimi vorbeischauen – ein Dienst der Deutschen Telekom, er konnte den Axel Springer Verlag als Partner gewinnen. So wird auch hier schnell klar, was die Anbieter von diesem Dienst wirklich haben,…
Altruismus gibt es im Internet selten, schon gar nicht, wenn große Konzerne dahinter stehen. Die deutsche Alternative mit ebenso schauderbaren Bedingungen zu sein ist am Ende eben doch keine Alternative. Noch dazu scheitern die neuen Angebote – im Vergleich zu den etablierten Lösungen von Google und Facebook – vor allem an der Verbreitung. Wie so oft sind wir “zu spät bei der Party” und versuchen, trotzdem wir keine Einladung haben, gleich einen ganzen Autobus an Gästen unterzubringen. Nicht falsch verstehen – ich denke, es ist möglich, eine europäische Alternative zu vielen US-Diensten zu etablieren – EINE! Und auch nur dann, wenn diese tatsächlich mit besseren Leistungen um die Ecke kommt…
Single-Sign-On-Dienste sind dabei ohnedies ein schweres Thema. Sobald dieser Account kompromittiert ist, sind es auch viele weitere. Das zeigten diverse Facebook-Hacks in Vergangenheit sehr eindrücklich.
Anhang: Als ich diesen Artikel schrieb, war die Webseite von Verimi down. Grund: DNS_PROBE_FINISHED_NXDOMAIN. Natürlich erweckt das enormes Vertrauen…