In dieser Woche wird bundesweit viel über das Klima, über Nachhaltigkeit und über Mobilität geredet. Schließlich will die große Koalition am 20. September zum ganz großen Klimaschutz-Wurf ausholen. Ob das klappt, werden wir sicher in ein paar Tagen nochmal besprechen, aber schon jetzt wissen wir, dass ganz viele Menschen der Meinung sind, dass wir in den Innenstädten weniger Autos brauchen — egal, ob die Regierung das auch so sieht oder nicht.
Die deutsche Regierung will natürlich möglichst jeden mitnehmen: Es soll wieder einmal die schwarze Null gehalten werden, die Klimaziele sollen eingehalten werden und die Bürger sollen auch nicht empfindlich zur Kasse gebeten werden. Klingt nicht nach einem realisierbaren Konzept, aber wie gesagt: Das besprechen wir an anderer Stelle sicher nochmal ausführlich.
Heute wollen wir stattdessen nach Kanada schauen und darauf, wie man eine Stadt attraktiver macht und fahrradfreundlicher gestaltet, die Zahl der Autos reduziert und dennoch den Umsatz der anliegenden Läden steigert. Es wird nämlich bis dato viel argumentiert, dass das Reduzieren von Parkplätzen in den Innenstädten sich direkt negativ auf die Geschäfte auswirkt. Dem Gedanken kann ich auch durchaus folgen: Weniger Parkplätze = weniger Autos = weniger Kunden. Schließlich verkauft man nichts, wenn die Leute kreisen auf der Suche nach Parkplätzen.
Aber die kanadische Fallstudie auf ausgewählten Straßen Torontos belegt nun stattdessen exakt das Gegenteil: Mit dem “Ten Year Cycling Network Plan“ wuchs in Toronto 2016 die Erkenntnis, dass die Bloor Street für Radfahrer eine besondere Bedeutung hat bzw. eine Hauptverkehrsader darstellt. In der Folge traf man eine Entscheidung, die die Händler in der Straße zunächst nicht begeisterte: Insgesamt 136 Autoparkplätze auf dem 2,4 Kilometer langen Teilstück wurden ersetzt — durch Radwege.
Bestimmte Geschäfte profitierten nach dem Umbau der Straße, andere wiederum weniger. So konnte man bei Service-Leistungen wie einer Textilreinigung keine Veränderung feststellen. Der Einzelhandel, ebenso Kneipen und Restaurants konnten sich aber über signifikant wachsenden Kundenzuspruch freuen. In diesen Kategorien stieg die Zahl der Läden mit mehr als 100 Kunden pro Tag deutlich an, am Samstag ebenso wie unter der Woche.
Die Zahl der einkaufenden Bürger, die mit dem Auto unterwegs sind, blieb konstant bei neun Prozent. Die Zahl der shoppenden Radfahrer hingegen stieg von 8 auf 22 Prozent. Allerdings muss man der Fairness halber auch dazu sagen, dass der Anstieg bei den Umsätzen mit Masse durch kleinere Einkäufe realisiert wurde — für schwerere Einkäufe setzt man also nach wie vor aufs Auto.
In einer vergleichbaren Straße der Stadt wurde zudem festgestellt, dass auch dort die Umsatzentwicklung positiv war, allerdings nicht in diesem deutlichen Maße, wie man es in der Bloor Street beobachten konnte. Das bedeutet aber nicht, dass dieses Rezept — Radwege statt Autoparkplätze — flächendeckend überall gleich gut funktioniert. Es gibt zu viele Faktoren und Parameter, die dabei eine Rolle spielen, aber eins kann man definitiv festhalten: Wir müssen nicht befürchten, dass pauschal mit Umsatzeinbußen zu rechnen ist, wenn Parkplätze verschwinden.
Ich bin schwer gespannt, wie sich ähnliche Entwicklungen in Deutschlands Großstädten darstellen werden, wie die Unterschiede in kleineren Städten aussehen — und wo man diese Reduzierung von Autoparkplätzen überhaupt jetzt schon angeht in Deutschland.
via WELT