China ist ein wichtiger Markt, weswegen Apple dort schon mal Rechenzentren baut, damit man die Nutzerdaten chinesischer Kunden eben auch dort speichern kann, wie es gesetzlich gefordert ist. Natürlich dient dieses Gesetz nicht dem besseren Schutz der Daten der chinesischen Nutzer vor den bösen Datenhändlern, sondern in erster Linie der Kontrolle. Nicht anders sieht es in Russland aus, dort gilt ein entsprechendes Gesetz bereits seit 2015. Und auch gesetzliche Beschränkungen für Anonymisierungsdienste und VPN-Anbieter gibt es in Russland wie in China.
Aufgrund der Vorgabe der lokalen Datenspeicherung ist LinkedIn in Russland schon nicht mehr erreichbar, da das Netzwerk diese Vorgabe nicht einhalten wollte und dagegen geklagt hatte. Erfolglos. Twitter hat laut Berichten bereits zugesagt bis zum nächsten Jahr dem Gesetz folgen zu wollen. Facebook dagegen scheint keine derartigen Absichten zu haben, denn die entsprechende russische Behörde droht jetzt mit der Blockade des Netzwerks, sollte man das Gesetz nicht umsetzen.
Natürlich sind solche Gesetze auch eine technische Herausforderung für Anbieter solcher Dienste, aber das ist lösbar. Schon heute sind die Daten schließlich weltweit verteilt, eine gezielte Verteilung von Daten bestimmter User sollte da kein zu großes Problem darstellen. Die Frage, die sich hier wieder stellt – nicht zum ersten Mal – ist eher eine moralische Frage. Denn immerhin berufen sich auch Twitter und Facebook doch ganz gerne auf die Freiheitsrechte, wie wir „im Westen“ sie kennen. Und das ist ja durchaus auch begrüßenswert.
Keiner oder zumindest kaum einer von uns möchte ernsthaft auf die Meinungs- und Meinungsäußerungsfreiheit verzichten, selbst wenn sie von manchen Menschen auch für unerträgliche Meinungen genutzt werden. Und auch der Schutz unserer Privatsphäre ist uns doch recht wichtig, den einen mehr, den anderen weniger und es legt auch jeder selbst fest, was er zu seiner Privatsphäre zählt. Wenn es dann also darum geht solche Rechte bei uns oder in den USA vor echten und vermeintlichen Angriffen durch Regierungen und Behörden zu schützen, dann mucken die Unternehmen auch mal auf oder verweigern die Kooperation über das gesetzliche Minimum hinaus.
Aber wenn es dann um Russland oder China geht, dann sind viele Unternehmen plötzlich bereit, Kompromisse einzugehen und solchen Forderungen nachzugeben, die ganz offensichtlich eben nicht dem Schutz der jeweiligen Bevölkerung dienen, sondern einzig und allein der Schaffung oder Aufrechterhaltung von Kontrolle. Und dabei ist es egal, ob Apple VPN-Anwendungen aus dem Store in China schmeißt oder Twitter die Daten ihrer russischen Nutzer auf Servern in Russland speichert – man muss sich schon mal fragen, warum die das tun. Natürlich ist die Antwort schnell gefunden: Geld. Man kann dort Geld verdienen, aber eben nur, wenn die Menschen dort die jeweiligen Dienste auch erreichen. Geld vor Moral.
Es bleibt abzuwarten, wie sich Facebook hier positioniert – in China ist Facebook schließlich auch blockiert und in Russland ist vk.com populärer als das frühere Studentennetzwerk aus den USA. Der finanzielle Verlust würde sich für Facebook also wohl in Grenzen halten, der Preis dafür, Haltung zu zeigen, wäre sicher nicht existenzgefährdend.
Für uns haben solche Aktivitäten natürlich auch eine Bedeutung, es ist ja kein Geheimnis, dass auch deutsche Behörden gerne mehr Kontrolle oder zumindest Zugriff auf die Netzaktivitäten der Bürger hierzulande hätten. Je stärker natürlich die Kontrolle in Staaten wie China, Russland oder auch der Türkei ausgebaut wird und je mehr internationale Unternehmen dabei mitmachen, um den Zugang zu den entsprechenden Märkten nicht zu verlieren, desto deutlicher werden auch bei uns Forderungen nach der Durchsetzung von Landesgrenzen auch im Netz geäußert werden.
Da kann man als alter Sack schon ein bisschen wehmütig werden, wenn man sich zurückerinnert an die Anfänge des Netzes, als man noch davon träumte, dass dieses weltweite Internet irgendwann einmal die Menschen auf der ganzen Welt verbinden und ihnen neue und ungeahnte Freiheiten geben würde.
via Heise