Jeden Tag bin ich an der frischen Luft — im Rahmen der Gesetzgebung natürlich — und beobachte das Treiben auf den Straßen und in den Parks. Jetzt, mit ersten wiedereröffneten Läden in der Fußgängerzone, sieht man natürlich wieder mehr Passanten und das gute Wetter treibt die Leute auch zahlreicher in die Parks.
Gleichzeitig lese ich natürlich in den sozialen Medien, dass viel auf diese Leute geschimpft wird, die jetzt draußen unterwegs sind. Das halte ich persönlich für den falschen Weg, denn wir können ja unmöglich abschätzen, aus welchen Gründen diese Leute draußen sind, ob sie zusammen wohnen etc. Ich schrieb ja schon ausführlich darüber, dass auch ich diese Spaziergänge benötige, um in dieser Krise nicht verrückt zu werden.
Vielleicht haben wir ja tatsächlich Glück und wir erleben in den nächsten Wochen, dass man die Regeln weiter lockern kann. Stand jetzt müssen wir allerdings durchhalten und uns an die Bedingungen halten, die wir aktuell vorfinden. Dabei ist das Problem für mein Empfinden gar nicht mal, dass zu viele Menschen auf den Straßen sind. Es sind lediglich dann zu viele Menschen, wenn man das „Social Distancing“ berücksichtigen muss mit Abständen von mindestens 2 m zur nächsten Person.
Wo wollen sich Menschen denn wirklich aus dem Weg gehen? In einer Fußgängerzone mag das vielleicht noch funktionieren, auf normalen Bürgersteigen und auf Parkwegen eben nicht mehr so einfach. In Brighton, England geht man jetzt einen Weg, den man in diesen Tagen schon in mehreren Städten gegangen ist: Man sperrt eine Straße temporär für den normalen Verkehr und lässt dort ganz explizit Raum für Fußgänger und Radfahrer entstehen.
Es handelt sich dabei um den Madeira Drive, also die wichtige Strand-Straße in Brighton, die man seit Montag, dem 20. April in ihrer vollen Länge für motorisierte Fahrzeuge gesperrt hat im Zeitraum zwischen 8 Uhr morgens und 20 Uhr abends. Wer also joggen oder spazieren möchte oder mit dem Rad unterwegs ist, kann diesen Raum nutzen, allerdings natürlich unter Einhaltung der üblichen Regeln. Es gilt also das Social Distancing logischerweise, man soll möglichst zuhause bleiben und das Haus nur verlassen, falls es notwendig ist und wenn man sich sportlich betätigen möchte, soll man das möglichst in der Nähe der eigenen Wohnung tun.
Die Verantwortlichen denken hier also ganz bewusst an Menschen, die keinen Garten haben und denen sowohl die isolierte Zeit zuhause als auch das Social Distancing nicht leicht gemacht wird. Ab abends können hier aber auch wieder Autos verkehren bis in die Morgenstunden, so dass gewährleistet ist, dass beispielsweise Waren angeliefert werden können.
Auch in Deutschland sehen wir bundesweit bereits erste Lockerungen, wissen aber nichtsdestotrotz, dass die Krise nicht mal im Ansatz ausgestanden ist und wir auch immer noch in einer frühen Phase der Pandemie stecken. Deswegen würde ich mir wünschen, dass das Social Distancing und das jetzt auch konsequentere Tragen von Masken ebenso konzentriert weitergeführt wird und dass sich auch deutsche Städte überlegen, welche Möglichkeiten es gibt, für Jogger, Radfahrer und Spaziergänger neue Räume zu schaffen.
Brighton zeigt, wie es funktionieren kann und natürlich wird in England bereits überlegt, wo und wie man dieses Konzept auch andernorts übernehmen kann. Wenn die betroffenen Anwohner sich dadurch mehr bewegen und die Umwelt ein wenig durchatmen kann, sind das zwar nicht die aktuell wichtigsten Gründe für das Sperren einer Straße, aber mindestens mal ein sehr erfreulicher Nebeneffekt.
via Runner’s World