Ganz ehrlich, Freunde: Ich hab schon lange keinen Bock mehr, immer wieder die selben Artikel zu verlinken, in denen wir hier schon über Facebooks massives Problem mit Hassrede geredet haben. Längst muss man glauben, dass sich Facebook dieses Problems zwar absolut bewusst ist und im Grunde auch was dagegen unternehmen mag, die letzte Konsequenz aber schlicht nicht vorhanden ist — der Rubel rollt ja auch so.
Allein schon das Theater um politische Aussagen bzw. Wahlwerbung bereitet mir Kopfschmerzen, weil Mark Zuckerberg hier einfach eine sehr merkwürdige Linie fährt. Die Leute sollen sich ihre Meinung gefälligst selbst bilden und dabei auch herausfinden, welche Aussage stimmt und welche nicht. Konkret bedeutet das, dass Facebook auch dann Wahlwerbung der Parteien schaltet, wenn sie darin nachweislich die Unwahrheit sprechen.
Auch, wenn man kürzlich mal Donald Trump ein klein wenig auf die Finger geklopft hat, bietet Facebook bezüglich der Fake-News und Wahlwerbung ein sehr enttäuschendes Bild. Bei den Hassrede-Kommentaren, so fürchte ich, sieht es tendenziell sogar noch übler aus. Zu keiner Sekunde hat man das Gefühl, dass Facebook das irgendwie unter Kontrolle hat — oder bekommen kann.
Dabei habe ich auch hier das Gefühl, dass zumindest ein Teil der Manager gerne was dagegen unternehmen würde — ein anderer Teil freut sich aber darüber, dass sich fleißig gezofft wird, weil das bedeutet, dass die Leute massig interagieren und viele Menschen auf der Plattform bedeuten für Facebook bares Geld, weil das Geld nun mal mit Werbung verdient wird.
Ganze 99 Prozent des Umsatzes entfällt für Facebook auf besagte Werbung und einige Organisationen wollen Facebook jetzt genau an diesem Punkt treffen. Stop Hate for Profit heißt die Kampagne, hinter der US-Bürgerrechtsorganisationen wie Color of Change, NAACP und die Anti-Defamation League (ADL) stehen. Unternehmen wie North Face, REI, Mozilla oder Patagonie haben sich bereits angeschlossen, was konkret bedeutet, dass sie auf Facebook im Juli keine Werbung mehr schalten wollen. Im Kampagnen-Text stellt man die Frage, was Facebook mit 70 Milliarden Dollar — so viel setzt das Unternehmen um — machen könnte. Auf die rhetorische Frage kommt dann eine Auflistung von Dingen, die Facebook gemacht bzw. unterlassen hat.
Es geht darum, dass sich die Plattform mit Werbung dumm und dämlich verdient, dadurch auf einem Berg Geld sitzt und gefälligst mehr von diesem Geld abzwacken sollte, um Probleme wie eben Hassrede unter Kontrolle zu bekommen. Hier ist der Text:
Was würden Sie mit 70 Milliarden Dollar tun?
Wir wissen, was Facebook getan hat:
Facebook erlaubt die Aufhetzung zu Gewalt gegen Demonstranten, die in Amerika im Nachgang zu George Floyd, Breonna Taylor, Tony McDade, Ahmaud Arbery, Rayshard Brooks und so vielen anderen für Rassengerechtigkeit kämpften.
Sie nannten Breitbart News eine “vertrauenswürdige Nachrichtenquelle” und machten The Daily Caller zu einem “Faktenprüfer”, obwohl beide Publikationen über eine Vorgeschichte in der Zusammenarbeit mit bekannten weißen Nationalisten verfügen.
Sie verschließen die Augen vor der unverhohlenen Unterdrückung von Wählern in ihrem Programm.
Könnten sie schwarze Nutzer schützen und unterstützen? Könnten sie die Leugnung des Holocaust als Hass bezeichnen? Könnten sie helfen, die Abstimmung zu erleichtern?
Das könnten sie durchaus. Aber sie entscheiden sich aktiv dafür, dies nicht zu tun.
99% der 70 Milliarden Dollar von Facebook werden durch Werbung verdient.
Wem werden die Werbetreibenden zur Seite stehen?
Lasst uns Facebook eine starke Botschaft senden: Ihre Gewinne werden es nie wert sein, Hass, Bigotterie, Rassismus, Antisemitismus und Gewalt zu fördern.
Bitte schließen Sie sich uns an.
Aktuell versammeln sich unter dem Hashtag #stophateforprofit also größere und kleinere Unternehmen, die allesamt im Juli keinen müden Dollar in Anzeigen auf Facebook und/oder Instagram investieren wollen. Dabei ist das finanzielle Signal Richtung Facebook vermutlich eher eines von überschaubarem Wert angesichts von 70 Milliarden Dollar Umsatz. Wichtiger ist da wohl das symbolische Signal, mit dem man anzeigt, dass es eben so nicht mehr weitergehen kann und sich Facebook anders positionieren und vor allem stärker bemühen muss, was den Kampf gegen Hassrede angeht.
Solange man auf Facebook politische Lügen verbreiten darf und damit Wähler manipuliert, solange der Algorithmus Schwarze benachteiligt und solange Publikationen wie Breitbart allen Ernstes als seriöse Publikationen eingestuft werden, ist es mehr als offensichtlich, wie viel Arbeit Facebook hier noch hat.
Patagonia is proud to join the Stop Hate for Profit campaign. We will pull all ads on Facebook and Instagram, effective immediately, through at least the end of July, pending meaningful action from the social media giant.
— Patagonia (@patagonia) June 21, 2020
Viele der Probleme sind vermutlich zu komplex, als dass Facebook sie mit — über die Plattformen hinweg — 2,89 Milliarden Usern im Handumdrehen lösen könnte. Man könnte aber definitiv in deutlich mehr Personal investieren und viel, viel mehr Augen das Geschehen auf Facebook überwachen. Genau das möchte die Kampagne erreichen: Die Milliarden sollen sich nicht auf den Bankkonten der Facebook-Leader anhäufen, sie sollen zumindest zu einem Teil dazu beitragen, dass aus dem blauen Riesen wieder eine funktionierende Plattform wird, die politische Lügen nicht duldet, Hassrede unterbindet und Menschen allesamt gleich behandelt.
“Stop Hate For Profit” sucht weiter nach Unterstützern und es wäre zu wünschen, dass sich hier eine Vielzahl von Anzeigenkunden einfindet, die den Boykott im Juli unterstützt. Machen wir uns nichts vor: Zuckerberg würde auch nicht verarmen, wenn einen Monat mal weniger Kohle reinkommt, aber es geht eben um Solidarität, um starke Ansagen und Signale Richtung Facebook. Es wird Zeit, dass wir alle Facebook diesen ganzen Mist — Rassismus, Antisemitismus, Hassrede — nicht mehr durchgehen lassen und wenn es jemals einen perfekten Zeitpunkt gab, um massiv Druck auszuüben, dann ist das wohl jetzt!
via Quartz