Die Corona-Pandemie hat dafür gesorgt, dass eine noch größere Bedrohung für uns alle — der Klimawandel — erschreckend weit in den Hintergrund gerückt ist. Das bedeutet aber nicht, dass sich die Regierungen nicht dennoch mit dem Thema beschäftigen. Während das in Deutschland aktuell eher so maximal mittelgut zu klappen scheint, prescht Frankreich weiter vor.
Unsere Nachbarn haben unlängst einen Bürgerrat für Klimaschutz einberufen. Der besteht eben nicht aus Politikern, sondern — wie der Name „Bürgerrat“ schon sagt — aus 150 Bürgern. Auf diese Weise möchte man für mehr direkte Demokratie sorgen. In diesem Bürgerrat findet man nun nicht etwa überdurchschnittlich engagierte Franzosen, beispielsweise aus dem grünen Lager oder aus dem Lager der Gelbwesten. Stattdessen hat man einfach komplett random per Telefon Bürger kontaktiert, unter den Angerufenen aber dann dafür gesorgt, dass eine Mischung aus 150 Personen entsteht, die die Bevölkerung des Landes möglichst exakt abbildet. Also sind in diesem Rat junge Menschen ebenso wie besonders alte, Menschen jeden Geschlechts, jedes Einkommens, jedes Bildungsniveaus, Städter ebenso wie Menschen, die auf dem Land wohnen usw.
Dieser Bürgerrat kann natürlich keine Gesetze beschließen, kann sie aber auf den Weg bringen, indem beispielsweise Referenda angestoßen werden, bei denen das Volk entscheidet. Ein solches Referendum soll dafür sorgen, dass Frankreich den Klimaschutz in der Verfassung verankert, was schon mal ein Riesenschritt wäre! In einem zweiten Referendum soll über einen komplett neuen Straftatbestand entschieden werden, dem Ökozid! Damit würde es Unternehmen an den Kragen gehen, die zum Artensterben beitragen, unnötig viele Ressourcen verschwenden, Böden ruinieren usw.
Macron wird sich in wenigen Tagen zu den Beschlüssen dieses Rats äußern, ab dem Herbst soll dann im Parlament darüber debattiert werden. Die Vorgabe für den Bürgerrat: Sie sollen erreichen, dass Frankreich bis zum Jahr 2030 die Emissionen des Treibhausgases um 40 Prozent verringern (im Vergleich zu 1990), ohne dass der weniger zahlungskräftige Teil der Bevölkerung in Mitleidenschaft gezogen wird.
Anscheinend ist dieser Bürgerrat auch sehr ambitioniert, denn über 149 Punkte wurde bereits abgestimmt. Die bislang bekannt gewordenen Forderungen des Rates klingen vergleichsweise radikal und würden Frankreich eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz zukommen lassen — vorausgesetzt, diese doch teils extremen Forderungen würden auch 1:1 so umgesetzt. Zu diesen Forderungen gehören u.a.:
- Flughafenverbot ab 2025
- keine Inlandsflüge
- Tempolimit auf 110 km/h runter
- keine Werbung für Autos oder Fleischgerichte
- Klimasteuer für Wohlhabende
- Klimaschutz in der Verfassung
Würden die Bürgerräte mit allen Forderungen durchkommen, gliche das einem grünen Wunschtraum: Ab 2025 würden weder Inlandflüge erlaubt sein noch der Neubau von Flughäfen. Auf den Autobahnen wären nur noch 110 km/h erlaubt, Autos dürften nicht mehr beworben werden und einiges mehr.
Wow!
✅ Flughafenverbot ab 2025
✅ keine Inlandsflüge
✅ Tempolimit auf 110 km/h runter
✅ keine Werbung für Autos oder Fleischgerichte
✅ Klimasteuer für Wohlhabende
✅ Klimaschutz in der VerfassungFrankreichs Bürgerrat hat das beschlossen.https://t.co/XiHTwwHla1
— Michael Bloss (@michabl) June 29, 2020
Bei der Finanzierung soll eine Klimasteuer für Wohlhabende dafür sorgen, dass diejenigen dieses Klima-Paket bezahlen, denen es nicht weh tut. Der Bürgerrat hat an mehreren Sitzungswochenenden Input von vielen Experten bekommen und sich in die Themen einarbeiten können. Die Beschlüsse klingen für mich sehr richtig, aber eben auch sehr ambitioniert.
Damit gibt man die richtige Stoßrichtung der Diskussion vor, allerdings ist damit noch lange nichts gewonnen. Im Gegenteil: Protest formiert sich bereits, beispielsweise in Gestalt der rechtsextremen Rassemblement National. Geht mal nicht davon aus, dass all diese Punkte zeitnah umgesetzt werden können. Aber Macron kann jetzt beweisen, wie ernst er es meint mit dem Kampf gegen den Klimawandel und entscheidende Veränderungen auf den Weg bringen. Ich würde mich freuen, wenn das klappt — und wenn sich Deutschland und weitere Länder dadurch inspirieren ließen.
via ZEIT