So ein bisschen ist uns allen ja klar, dass es bei vielen Dingen, über die wir diskutieren, nur noch eine komplett schwarze und eine komplett weiße Betrachtungsweise zu geben scheint. Grautöne, Kompromisse, Reflektieren, Differenzieren — alles nur noch störender Kram, der unnötig aufhält.
Welches bessere Beispiel dafür gibt es als eben genau das Unternehmen, über das wir hier gerade reden wollen, nämlich Tesla? Es scheint nur diejenigen zu geben, die alles anprangern, was Elon Musk auf den Weg bringt — und diejenigen, die alles abfeiern, was den Namen Tesla trägt und komplett unempfänglich für jegliche Kritik am Unternehmen sind.
Als Elon Musk ankündigte, dass er seine nächste Gigafactory ausgerechnet in Berlin, bzw. im brandenburgischen Grünheide bauen wolle, zeichnete sich bereits schnell ab, dass es auch hier wieder genau so laufen würde. In der Tat gibt es aber auch viele Facetten, die man betrachten kann, wenn man sich diesem Thema nähert.
- Ist es ein Eigentor, wenn ausgerechnet die Auto-Nation Deutschland sich den erklärten Feind von VW, Daimler und BMW ins Land holt und zulässt, dass die fette Produktionsstätte quasi direkt vor die Nase deutscher Hersteller gepflanzt wird?
- Wird sich Deutschland — wie schon beim Berliner Flughafen — wieder bei einem Großprojekt verheben und international blamieren?
- Werden sich diejenigen durchsetzen, die den Fortschritt und den Standort Deutschland gestärkt sehen wollen — oder die Umweltschützer, die am besten jeden einzelnen Baum retten wollen?
Ihr seht, es gibt verschiedene Ansätze, mit denen man sich bei diesem Thema „Tesla in Brandenburg“ Gedanken machen kann — und durchaus auch machen sollte. Blickt man auf die aktuellsten Entwicklungen, sieht man aber wieder sehr schnell, dass es erneut zwei verhärtete Fronten gibt.
Ihr habt es ja sicher mitbekommen, aber der Vollständigkeit halber nochmal als Erklärung, was derzeit der Stand der Dinge ist: Die „Grüne Liga“ — ein Umweltschutzverein — hat einen Rodungsstopp gegen Tesla erwirken können, die Baumfällarbeiten wurden seitdem eingestellt. Der Verein selbst erklärt, dass es nicht grundsätzlich gegen Tesla und das Projekt gehe, aber dass eben Vorschriften eingehalten werden müssen. Da Tesla noch keine finale Baugenehmigung vorliegt, dürfe also auch noch kein Baum gefällt werden.
Deshalb gehen die Meinungen jetzt wieder weit auseinander: Auf der einen Seite sehen viele ihre Felle schwimmen, weil Vereine und Verbände durch den Einsatz von Rechtsmitteln jeglichen Fortschritt zum Erliegen bringen können.
Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die befürchten, dass große Unternehmen wie Tesla machen dürften, was sie wollen und sich da auch über geltendes Recht hinwegsetzen — meistens auf Kosten der Umwelt.
Die Wahrheit — so wie ich sie empfinde — liegt vermutlich wieder einmal in der Mitte. Dazu muss man wissen, dass Tesla da gerade nicht etwa blindlings ein geschütztes Areal abholzt und Umwelt- wie Tierschutz mit Füßen tritt. Es handelt sich um einen Kiefernwald, der als Plantage betrachtet wird — eine Monokultur aus Bäumen, die lediglich aus dem Grund gepflanzt wurden, um sowieso irgendwann wieder gefällt zu werden. Zudem hat das Land Brandenburg Tesla grünes Licht für den Beginn der Arbeiten gegeben, solange Tesla eben auch bereit ist, die Risiken zu tragen.
Es stand bereits längst fest, dass diese Bäume weichen müssen, wenn ein Unternehmen dieses Areal erwirbt und anschließend für seine Zwecke nutzen will. Es ist jetzt also kompletter Irrsinn, wenn sich Umweltschützer wieder in diesen Bäumen verkriechen und notfalls mit dem eigenen Leben jeden einzelnen Baum verteidigen wollen.
Logisch, dass es auch für Tesla einen klaren Deal gibt, der vorsieht, dass im Zuge der Rodung an anderer Stelle auch wieder aufgeforstet werden muss. Für jeden Baum, den Tesla fällt, werden an anderer Stelle drei neue Bäume aufgeforstet.
Auf der anderen Seite stimmt es aber natürlich auch, dass geltendes Recht eingehalten werden muss und damit auch bestimmte Reihenfolgen. Will die „Grüne Liga“ tatsächlich nur darauf hinweisen? Glaube ich ehrlich gesagt nicht — denen wird es schon auch darum gehen, Tesla Knüppel zwischen die Beine zu werfen.
Aber darum geht es eben nicht: Liegt keine finale Baugenehmigung vor, darf Tesla im Grunde auch nicht loslegen — auch nicht, wenn es Zeitdruck gibt, wie in diesem Fall. Bis Mitte März muss Tesla nämlich fertig sein, da dann die Brutperiode beginnt und bis zum Herbst dann kein Baum mehr gefällt werden darf.
Ich befinde mich gerade also da, wo ich so gerne Platz nehme: Zwischen den Stühlen! Ich verstehe, dass Tesla — und das Land Brandenburg — Gas geben wollen und auch, dass wir es hier mit einem sehr wichtigen Projekt zu tun haben, welches Strahlkraft besitzt, uns in Sachen Elektromobilität und deren Akzeptanz nach vorne bringt und nicht zuletzt viele Tausend Arbeitsplätze schafft.
Ich verstehe aber eben auch, dass sich in Deutschland Groß und Klein an Gesetze zu halten haben und dass die Einhaltung dieser Gesetze ein hohes Gut ist, die verteidigt gehört. Persönlich wünsche ich mir also, dass die bürokratischen Hürden flott genommen werden können, damit die Arbeiten in Brandenburg wieder aufgenommen werden können — und akzeptiere, dass ein Verein vielleicht auch aus falscher Motivation aktuell dieses Projekt lahmlegt.
Wie kann also in diesem Fall ein Kompromiss aussehen? Ich würde mir wünschen, dass es in der Tat keine Extrawürste für Unternehmen gibt, mit denen sie an geltendem Recht vorbei agieren können. Aber ich erwarte auch, dass in solchen Fällen die Bürokratie so schlank wie möglich gehalten wird. Wenn es sich also um eine Fläche handelt, von dessen Rodung man eh schon ausgehen konnte, dann sollte dafür gesorgt werden, dass die notwendigen Baugenehmigungen so schnell wie möglich vorliegen und man diese Vorgänge auch mit Vorrang bearbeitet.
Chinesische Krankenhäuser, gebaut in zehn Tagen
Abschließend will ich noch auf einen Punkt eingehen, der mich in diesen Tagen wieder arg nervt. Egal, welches Projekt hier angestoßen wird und bei dem es nur die geringste Aussicht auf eine Verzögerung oder gar auf einen kompletten Stopp gibt: Sofort kommen die Leute mit schlechten BER-Witzen aus dem Gebüsch gekrochen und reden ein unfassbar gut aufgestelltes Land kaputt.
Bei allem, was es an und in Deutschland zu kritisieren gibt, sind wir immer noch eines der großartigsten Länder und eines, in dem es sich besser leben lässt als in so ziemlich jedem anderen auf diesem Planeten. Daher ist es armselig so zu tun, als würde hier nichts funktionieren und als wären wir nicht in der Lage, irgendein Großprojekt zu stemmen.
In diesem Zusammenhang wird immer wieder gerne auf China verwiesen, wo alles deutlich flotter über die Bühne geht. Ja, in zehn Tagen hat man hier ein Krankenhaus aus dem Boden gestampft. Ob das aber alles so shiny vonstatten gegangen ist, wie es in den staatlichen chinesischen Medien gezeigt wurde, steht auf einem komplett anderen Blatt.
Ich bin überzeugt davon, dass wir sowohl technisch in der Lage sind, ähnlich schnell zu bauen und auch die Leute haben, die gut genug ausgebildet wurden, um so etwas zu vollbringen. Aber im Gegensatz zu China gibt es hier aber — zum Glück — Gesetze, die uns Bürger schützen. Wenn in China gebaut werden soll, dann verlieren die Menschen Haus und Hof, wenn sie dummerweise auf dem jeweiligen Areal wohnen.
Derzeit wird in Deutschland von einem bestimmten Klientel alles kritisiert und schlecht geredet, was hierzulande angestoßen wird. Ich frage mich, wieso man hier so überkritisch und negativ auf so ziemlich alles blicken kann — und dann ausgerechnet in China, wo es mit der Meinungsfreiheit nicht so weit her ist und den Rechten für die Bürger ebenso wenig, betrachtet man alles durch eine rosarote „dort ist alles besser“-Brille.
Also klar: Die BER-Nummer haben wir schlimm verkackt, egal wie es da jetzt ausgeht. Aber ein gescheitertes bzw. stark verspätetes Projekt sollte nicht die Blaupause für alles sein, was in Deutschland entstehen soll. Ich bin jedenfalls froh, dass es in Deutschland Hürden gibt, die dazu führen, dass sich Unternehmen mit Gesetzen auseinandersetzen müssen, in denen Fristen eingehalten werden, in denen Arbeitnehmer und deren Gesundheit geschützt werden — und dazu gehört eben auch, dass der Tierschutz schon mal ein Projekt zeitweise lahmlegen kann.
Ich würde mir hier aber auch losgelöst vom Tesla-Projekt wünschen, dass wir nicht bei jedem gefällten Baum, jeder errichteten Produktionsstätte und jedem geplanten Windrad in die Knie gehen müssen angesichts irgendwelcher noch so kleinen Interessengruppen. Ein pauschales Urteil würde ich mir hier nicht anmaßen — es gilt wohl, jedes Projekt für sich zu betrachten. Dann glaube ich, dass wir dahin kommen können, dass weder der Fortschritt zum Erliegen kommt, noch Umwelt- und Tierschutz mit Füßen getreten wird.