Es scheint, als hätte echte politische Arbeit nichts mehr mit einem Wahlergebnis zu tun. Statt mit Sachthemen zu überzeugen, gibt es in vielen Wahlkämpfen – nicht nur in den USA – nur noch ein Thema: Fake News. Sobald wir bei diesem Thema beginnen, landen wir schnell in Russland. So sollen von dort aus politische Ergebnisse durch das gezielte Schalten von Werbung beeinflusst werden. Vor allem Facebook sieht sich mit diesen Vorwürfen konfrontiert. Sharyl Sandberg bezog erst kürzlich bei einer offenen Anhörung Stellung dazu, jetzt gibt es die erste medienwirksame Maßnahme gegen mögliche Wahlmanipulationen. Der Konzern eröffnet den War Room. Nein, dabei geht es nicht um (echten) Krieg, sondern rein um Social Media – aber der Konzern bedient sich auch abseits des Namens starker militärischer, und damit dramatischer, Sprache.
Das neue Team soll künftig besser gegen Kampagnen, Trolle und Social Bots – speziell im Zusammenhang mit Wahlen – vorgehen. Es soll aus 20 Personen bestehen und mit Hilfe von Facebook-Echtzeitdaten neue Trends frühzeitig erkennen. Dabei ist es direkt bei Facebook in der Konzernzentrale im Menlo Park angesiedelt. Potentielle Brandherde und Falschmeldungen, sowie damit verbundene verdächtige Aktivitäten, sollen so frühzeitig identifiziert werden – und der Konzern im Zweifel mit Gegenmaßnahmen reagieren.
Während 20 Personen nach einem sehr kleinen Team klingt, handelt es sich hierbei aber nur um die Entscheider. Im Hintergrund sind 300 Mitarbeiter damit beschäftigt, dieses Team mit Informationen zu füttern. Dabei greifen sie auf Daten des 2016 angekauften Analyseprogramms CrowdTangle zurück. Der Name War Room kommt dabei nicht ganz von ungefähr – er ist von gleichnamigen Kampagnenzentralen bei militärischen Einsätzen abgeleitet.
Samid Chakrabarti, Leiter des Teams Wahlen und gesellschaftliches Engagement bei Facebook, erwartet sich große, globale Auswirkungen durch diese Initiative. Er spricht von der „wahrscheinlich größten unternehmensweiten Umorientierung seit unserem Wechsel von Desktops zu Mobiltelefonen“. Seiner Meinung nach ist es die „letzte Verteidigungslinie“, um bisher unerkannte Probleme rund um Wahlmanipulation in verschiedenen Ländern identifizieren zu können.
Im Zuge des neuen War Rooms startet auch ein neuer Service für Politiker und deren Mitarbeiter. Ihre Seiten und Profile sollen dabei, mittels 2-Faktor-Authentifizierung, besser abgesichert werden. Ein Service, den der Konzern eigentlich seit langem für jeden anbietet, hier aber noch sicherer sein soll.
Der War Room wird also zur letzten Verteidigungslinie – wie schön. Facebook gibt sich Mühe, die Bevölkerung mit großen Worten und wenig Details zu beruhigen und selbst den eigenen Hals aus der Schlinge zu ziehen. Bei all den Maßnahmen ist dennoch nicht klar, wie sich Facebook konkret verhalten wird. Wie sollen konkrete Gegenmaßnahmen aussehen und wie verhält es sich hier mit Zensur? Werden Beiträge gelöscht oder nur als Fake markiert? Während ersteres schnell wieder neue Vorwürfe laut werden lässt und neue Märtyrer legitimiert, werden Hinweise auf Facebook auf der anderen Seite „inmitten aller Emotionen“ sicher einfach übersehen. Und wie reagiert Facebook bei dem für sie wichtigsten Thema – Geld? Werden Werbungen und Kampagnen aus anderen Ländern tatsächlich abgelehnt und der Konzern verzichtet auf Umsatz? Und wie möchte der Konzern dies erkennen? Egal ob Russland, Israel, China, Korea oder die EU – ein amerikanisches VPN lässt sich mehr oder minder schnell beschaffen, und US-Dollar sowieso.
Am Ende ist der War Room vor allem eines: Gutes Marketing und nicht viel mehr als reine Sicherheitsesoterik. Ob sich dadurch etwas ändert, wird sich zeigen müssen – und vor allem wird das neue Team zeigen müssen, dass sich etwas in Richtung des Besseren verändert. Wir dürfen gespannt sein.
Via New York Times