Update, 7. April 2015:
Wie die Nachrichtenagentur Anadolu meldet, sind neben Facebook nun auch wieder Twitter und YouTube erreichbar. Weder von der türkischen Regierung noch von den Internet-Diensten selbst gibt es aktuell eine Stellungnahme, was denn nun dazu geführt haben könnte, dass die Seiten wieder verfügbar sind.
via FAZ
Original-Artikel vom 6. April:
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wird in diesem Leben wohl kein Freund mehr der sozialen Netzwerke. Wie schon im Vorjahr sind die Dienste YouTube und Twitter aktuell in der Türkei nicht mehr zugänglich. Die türkischen Behörden störten sich – so berichtet Hürriyet – an einem Foto einer Geiselnahme im Istanbuler Justizpalast, bei der zwei Linksextremisten den Istanbuler Staatsanwalt Mehmet Selim Kiraz als Geisel nahmen und in der Folge während der Befreiungsaktion der Polizei ebenso zu Tode kamen wie der Staatsanwalt selbst. Kiraz erlag Stunden nach der Befreiungsaktion seinen Verletzungen.
Ursprünglich war von der Sperre auch Facebook betroffen, aber wie die türkische Internetbehörde BTK erklärt, wäre Facebook seiner Verantwortung nachgekommen und hat das beanstandete Bild umgehend entfernt. Wie der Sprecher Erdogans anmahnte, würde dieses Thema nicht auf der Tagesordnung stehen, wenn die Medien nach der Geiselnahme ihrer Verantwortung gerecht geworden wären und das besagte Foto eben nicht veröffentlicht hätten.
Viele Medien wurden aufgrund ihrer Berichterstattung bereits von der Trauerfeier für den Staatsanwalt Kiraz am 1. April ausgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft kritisierte, dass seine Frau und seine Kinder an jeder Ecke im Netz über Bilder stolpern, die Kiraz in der Hand der Geiselnehmer zeigen und Twitter sowie YouTube haben sich – im Gegensatz zu Facebook – nun mal nicht dazu bereiterklärt, beanstandete Links zu entfernen.
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mir ist dieses Vorgehen äußerst zuwider. Klar, nach dem Germanwings-Drama brauchen wir nicht darüber diskutieren, dass einige Medien aufgrund ihrer Berichterstattung völlig zurecht in die Kritik geraten sind, aber darf man deswegen das Internet beschneiden, wenn die Regierung der Meinung ist, dass ein Bild nicht ins Netz gehört? Sorry, wirklich nicht! Dazu passt auch die Meldung, dass ein Lokaljournalist in der Türkei wegen eines “Like” bei einem Erdogan-feindlichen Facebook-Posting in erster Instanz zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde – ein “gefällt mir” wurde hier also als eine Beleidigung gewertet! Wir warten erst mal ab, wie lange YouTube und Twitter dieses Mal gesperrt bleiben und verfolgen interessiert, wie die türkische Bevölkerung auf diesen Eingriff reagiert.