Wenn wir darüber hören oder lesen, dass sich die Kandidaten in den USA für den Präsidentschaftswahlkampf in Stellung bringen, ist zumeist vom aktuellen Amtsinhaber Trump die Rede. So wie vorgestern, als er seine Rede beim World Economic Forum komplett ans US-amerikanische Volk richtete statt an die Anwesenden aus Politik und Wirtschaft.
Aber natürlich muss auch über die Demokraten gesprochen werden, von denen Joe Biden — einst Vizepräsident unter Barack Obama — einer der aussichtsreichsten Kandidaten zu sein scheint. Um diesen Joe Biden soll es auch in diesem Beitrag gehen, denn der 77-Jährige hat sich in einem Interview mit der New York Times erneut abfällig über die Gaming-Branche geäußert.
Bereits mehrfach hat er ziemlich deutlich durchblicken lassen, dass er von den vermeintlichen “Killerspielen” nicht viel hält. Seine Ablehnung diesen seiner Meinung nach gewaltverherrlichenden Videospielen gegenüber zeigte er bereits 2013, als er bewirken wollte, dass für Medien mehr Steuern anfallen sollen, wenn in ihnen Gewalt dargestellt würde.
Gegenüber der NYT berichtete der Demokrat von einem Treffen mit IT-Größen aus dem Silicon Valley, an dem auch Spieleentwickler teilnahmen. Folgendes Zitat stammt direkt aus dem Interview:
And at one point, one of the little creeps sitting around that table, who was a multi- — close to a billionaire — who told me he was an artist because he was able to come up with games to teach you how to kill people US-Präsidentschaftsanwärter Joe Biden
Er nennt keinen Namen, wer da sein Gesprächspartner gewesen sein könnte, die Kollegen von Kotaku glauben, dass es sich um ein Treffen von 2012 handeln könnte, bei dem Biden mit EAs damaligen CEO John Riccitiello zusammentraf. Zwar war aus der Gaming-Branche auch der Zynga-Chef am Start, aber anlässlich Spielen wie “Farmville” wäre Biden sicher nicht so eine deutliche Ansage herausgerutscht.
Ich hab jetzt mehrere Berichte über Bidens Äußerungen gelesen und zumeist ist die Lesart des Interviews, dass Biden den Mann als kleinen Widerling bezeichnet und der Meinung ist, dass solche Videospiele den Gamern beibringen, wie man tötet. Ehrlich gesagt bin ich da noch nicht ganz mit mir im Reinen, denn Biden zitiert ja einen Spieleentwickler, der sein Tun als Kunst einschätzt und ich frage mich, ob der Teil, in dem es darum geht, Spielenr das Töten beizubringen, auch noch ein Teil des Zitats sein soll, welches Biden rekapituliert.
Wahrscheinlicher ist aber wohl wirklich, dass sich der Entwickler als Künstler darstellt und Biden mit der Umschreibung schlicht seine eigene Ansicht zu Videospielen wiedergibt. Definitiv hat er aber nicht den Entwickler allein als kleinen Widerling bezeichnet, sondern die komplette dort anwesende Runde. Demnach trifft es die Bosse von Apple, Google, Netflix usw, die alle ebenfalls anwesend waren, genau so wie den Gaming-Kollegen.
Das macht es nicht unbedingt besser, wenn jemand, der für die Demokraten US-Präsident werden möchte, so eine pauschal negative Ansicht über das Gaming hat. Einem Trump mit seiner Tendenz zu schlichten, einfachen Antworten stände so eine pauschale Verurteilung bestens zu Gesicht, aber von einem Joe Biden hätte ich mir da mehr erhofft.
Klar, die Killerspiel-Diskussion haben wir in Deutschland auch seit vielen Jahren und vermutlich werden wir uns auch in vielen Jahren hierzulande auch immer noch darüber unterhalten, ob Ego-Shooter einen so negativen Impact auf die Spieler hat. Aber so eine Debatte in den USA hat für mein Empfinden nochmal eine ganz andere Tragweite angesichts der doch äußerst laschen Waffengesetze und der generellen Schusswaffen-Verherrlichung in den Vereinigten Staaten.
2017 sind fast 40.000 Menschen in den USA durch Schusswaffen getötet worden — in den akkumulierten Kriegseinsätzen der letzten Jahrzehnte zusammen sind nicht annähernd so viele Amerikaner gestorben. Wenn es also in den Vereinigten Staaten Handlungsbedarf gibt, sollte man vielleicht erst hier bei den Waffen ansetzen — und nicht bei einer Branche, die oft genug sehr leichtfertig für Schusswaffen-Opfer verantwortlich gemacht wird.
Ich wünsche mir von Herzen, dass irgendjemand Trump das Amt entreißen kann und ich halte auch speziell Joe Biden für einen tollen Politiker. In diesem Punkt sollte er aber vielleicht nochmal seine Ansichten ein wenig nachschärfen. Mir scheint es so nach dem Lesen des Interviews, dass er weder die Gaming- noch die IT-Branche an sich wirklich schätzt.
Quelle: New York Times via Kotaku