Der Musikindustrie kommt eine besondere Rolle zu: sie bekam mit P2P-Diensten wie Napster und eMule als Erste die volle Wucht des Netzes zu spüren und durfte wie kaum eine andere Branche zusehen, wie sich das eigene Geschäftsmodell eher schnell als langsam in Luft auflöste. Während man in den Konzernzentralen noch zuversichtlich die eigenen Scheuklappen festzurrte und die CD-Pressen anwarf, tauschten die „Raubkopierer-sind-Verbrecher“ munter die Charts, rauf und runter.
Spätestens mit dem iPod und dem zugehörigen Download-Portal iTunes wandelte sich die Branche. Irgendjemand hatte wohl – mit spitzem Bleistift und dem Rücken zur Wand – mal nachgerechnet und festgestellt, dass x Prozent von Weniger immer noch Mehr ist als 0 Prozent von Nix.
Mit einer wohl bis heute beispiellosen Lobby- und PR-Kampagne wurden Musik-Downloads in den folgenden Jahren quasi „zwangslegalisiert“. Irgendwann hatten die meisten Menschen dann akzeptiert, dass man sein Geld entweder beim nächsten Abmahn-Anwalt oder aber in den legalen Download-Portalen von Apple & Co. loswerden konnte.
Amazon sprang ebenfalls auf den Zug auf und bietet seitdem beinahe jeden populären Titel auch als digitale Version an. Zusammen mit Apple und unzähligen kleineren Download-Portalen feiert man seitdem Jahr für Jahr Zuwachsraten, von denen andere Branchen nur träumen können. In der Zwischenzeit hat auch Google mit „Play Music“ die Bühne betreten.
Seit geraumer Zeit macht die Musikindustrie einen weiteren Wandel mit: weg vom Download – hin zum Streaming-Abonnement. Dienste wie rdio, das in den USA ziemlich populäre Pandora, Deezer, last.fm, Tidal oder Spotify bieten ihren Mitgliedern die Möglichkeit, Musik on-the-fly zu hören. Die Titel werden zwar immer noch gedownloadet, dies dient aber nur noch der Zwischenspeicherung – ohne ein entsprechendes Abonnement lassen sie sich nicht abspielen.
Seltsamerweise hat ausgerechnet Apple diesen Trend völlig verpennt und versucht nun eiligst, das Verpasste aufzuholen. Aus dem Urgestein iTunes konnte oder wollte man offenbar keine Streaming-Plattform machen, also kaufte man sich für schlappe drei Milliarden Dollar einen Hersteller von Kopfhörern, der zufällig auch Inhaber eines bereits ziemlich populären Streaming-Dienstes ist. „Beats Music“ (oder wird es dann doch iMusic?) soll in Kürze unter der Flagge von Apple (neu) starten.
Dass man für Cupertino-Verhältnisse tatsächlich spät dran ist, zeigen die letzten Quartalszahlen von Warner Music. Das weltweit drittgrösste Musik-Label gab nun bekannt, dass man in den zurückliegenden drei Monaten erstmals mehr Geld mit dem Streamen von Musik verdient habe als mit dem Verkauf von Downloads.
Insgesamt sei der ohnehin schon gute Umsatz in diesem Geschäftsbereich um satte 33% gestiegen, was offenbar sogar für das Label selbst ein wenig überraschend kam: „The rate of this growth has made it abundantly clear to us that in years to come, streaming will be the way that most people enjoy music.“ – Ach ;-)?
Man kann nur hoffen, dass nun auch die anderen Platten-Labels den Knall hören, denn momentan kranken die meisten Streaming-Dienste hauptsächlich am Konkurrenzkampf der Labels untereinander. Die Top-Titel des einen Labels gibt es nur bei dem einen Dienst, die Titel und Interpreten des anderen Labels nur anderswo. Theoretisch müsste man sich bei insgesamt drei oder vier Streaming-Diensten anmelden, wenn man wirklich „jeden“ Titel legal streamen will. Von älteren, immer noch nicht digitalisierten Alben wollen wir gar nicht anfangen.
Letztendlich geht es, wie auch die Warner-Zahlen zeigen, wieder einmal um viel Geld. Und dabei wird, womit wir wieder bei Apple wären, mit harten Bandagen gekämpft. Das ist nicht verwunderlich, denn insgesamt – also Streaming und Downloads gemeinsam betrachtet – wuchs der Umsatz um „nur“ 7%. Und das wiederum bedeutet, dass vor allem Download-Portale wie z.B. iTunes in den letzten Monaten z.T. heftige Verluste hinnehmen mussten.
Eigentlich sind die neuen Machtverhältnisse im Musik-Business damit weitestgehend geklärt – bliebe da nicht eine spannende Frage: wann steigt eigentlich Facebook in den Markt ein und wirft seine 1.4 Milliarden Benutzer in die Waagschale ;-)?
Vielleicht sorgen die neuen Zahlen von Warner ja sogar für ein Umdenken bei der deutschen GEMA? Mit gestreamter Musik, ob via Spotify oder Youtube, lässt sich nämlich tatsächlich Geld verdienen. Wie gesagt: x Prozent von Weniger ist immer noch Mehr als 0 Prozent von Nix.
Quelle: re/code