Die letzten Monate liegen den meisten von uns wohl noch ordentlich in den Knochen. Über 4 ganze Wochen war unser Leben stark eingeschränkt und der Bürger ebenfalls in seinen typischen Freiheitsrechten beschnitten. Was zum Schutz der Allgemeinheit diente, wird nun schrittweise (und im Eiltempo) wieder aufgehoben. So kehrt langsam wieder Alltag in der Bundesrepublik ein, auch, wenn Gesichtsmasken inzwischen zum typischen Alltagsgegenstand geworden sind.
Schauen wir auf unsere europäischen Nachbarn, dann hat das Coronavirus aber auch den Weg für mehr Überwachung frei gemacht. Konkret geht es hier um Ungarn, das bereits in der Vergangenheit vermehrt aufgrund seines Kurses Aufmerksamkeit erregte. Jetzt haben Nichtregierungsorganisationen einen offenen Brief an den Europäischen Datenschutzausschuss versendet, in denen diese die Aufnahme einer Untersuchung gegen das osteuropäische Land fordern.

Konkret stammt der Brief von Access Now, der Ungarischen Union für bürgerliche Freiheiten und der Europäischen Union für bürgerliche Freiheiten. Die Verfasser werfen der ungarischen Regierung vor, zur Eindämmung des Coronavirus Grundsätze der Datenschutzgrundverordnung auf unbegrenzte Zeit zu missachten. Ein am 4. Mai veröffentlichtes Dekret regelt nämlich, dass bestimmte Rechte und Maßnahmen der DSGVO in dem Land nicht mehr gelten.
Betroffen sind vor allem die Festlegungen unter Artikel 15 bis 22, welche Rechte definieren, die der Bürger im Bezug auf die Verarbeitung seiner Daten bei staatlichen Stellen ausüben kann. Fristen für das Einlegen von Einsprüchen und Beschwerden wurden ebenfalls zeitlich verkürzt. An sich sind solche Einschränkungen schon kritisch zu betrachten, erst recht, wenn diese wie in Ungarn für einen nicht näher definierten Zeitraum gelten. Denn in Ungarn gilt aktuell eine Situation, die als „Zustand der Gefahr“ bezeichnet wird. Solange dieser Zustand gilt, wird der Bürger in seinen Rechten beschnitten.

Weiterhin besteht die Gefahr, dass die Erlassung und Umsetzung von Dekreten ohne parlamentarische Kontrolle passiert. Das oben genannte Dekret wurde ebenfalls ohne den Einbezug von demokratisch gewählten Institutionen erlassen. In dem Brief fordern die Verfasser daher die Untersuchung des Falles und der Prüfung, ob die getroffenen Maßnahmen im Einklang mit der DSGVO stehen. Die Konsequenz könnte ein Vertragsverletzungsverfahren sein.
Es ist beängstigend, wie manche europäische Länder (darunter auch beispielsweise Polen) aktuelle Situationen und Schlupflöcher ausnutzen, um ein autoritäres System aufzubauen und die Demokratie zu untergraben. Über die Konsequenzen in diesem Fall wird sich die EU wohl in den nächsten Wochen beschäftigen müssen.