Da dachte man schon, es könne kaum schlimmer für Yahoo kommen und schon kommt der Beweis für die alte Weisheit „Schlimmer geht immer“: Erst das späte Eingeständnis, dass dem Konzern Daten von rund 500 Millionen Usern abhanden gekommen sind, dann die Nachricht, Yahoo habe – an der eigenen Security-Abteilung vorbei – die eingehenden Mails aller ihrer Nutzer im Auftrag von US-Behörden gescannt. Und noch bevor von Yahoo oder der US-Regierung da mal eine Stellungnahme kommt, die diesen Namen verdient, legt Reuters mit einer neuen Meldung zum Wochenende nach, die den begründeten Verdacht nahelegt, dass nicht „nur“ die Mails der Nutzer gescannt wurden, sondern einfach alle Daten im Yahoo-Netzwerk.
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Reuters beruft sich dabei auf die Aussagen von drei früheren Yahoo-Mitarbeitern, nach deren Angaben die Filter als Modul des Linux-Kernels auf den entsprechenden Maschinen umgesetzt wurde. Dieser Weg soll gewählt worden sein, weil die Standardmechanismen für das Scannen von Mails nicht geeignet waren. Während der Filter für sog. Kinderpornographie nicht in Frage kam, da dieser nur für das Auffinden von entsprechendem Bild- und Videomaterial und nicht für die Suche nach Text ausgelegt ist. Auf die SPAM-Filter dagegen haben zu viele Mitarbeiter im Unternehmen Zugriff, da dieser auch ständig gepflegt wird. Auch wäre eine Änderung dort den für die Systemsicherheit zuständigen Mitarbeitern wohl sofort aufgefallen.
Die Integration eines solchen Filters als Kernel-Modul macht diesen natürlich schwerer aufzufinden, aber vor allem erlaubt die Filterung so tief im System eben nicht nur das Durchsuchen der eingehenden Mails, sondern grundsätzlich aller Daten, die über die jeweilige Maschine gehen.
Laut Reuters-Informationen soll das aber deutlich über das hinausgehen, was von den Geheimdiensten gefordert wurde:
Intelligence officials told Reuters that all Yahoo had to do was modify existing systems for stopping child pornography from being sent through its email or filtering spam messages. Reuters
Tatsächlich wären solche bestehenden Filter natürlich der logische Ansatzpunkt für das Scannen der eingehenden Mails gewesen, aber anscheinend war die Priorität in der Chefetage von Yahoo nicht, diese Anordnung möglichst exakt zu erfüllen, ohne Daten zu scannen, die davon gar nicht betroffen waren, sondern alles zu tun, damit möglichst wenige Menschen im eigenen Unternehmen von diesem Filter erfahren. Nachdem Yahoo-Chefin Marissa Mayer sich offenbar nicht einmal gegen die Anordnung wehren wollte, steht sie nun ziemlich schlecht da.
Man könnte den Eindruck gewinnen, dass Marissa Mayer sich ziemlich genau gar nicht für das Unternehmen, dessen Kunden oder irgendjemand anderen als sich selbst und ihren Kontostand interessiert. Möglicherweise handelte es sich hier auch um einen Fall von vorauseilendem Gehorsam, schließlich legen die bereits erwähnten „Intelligence officials“ laut Reuters Wert darauf, dass die Maßnahme bei Yahoo nichts mit der von Snowden aufgedeckten Massenüberwachung von Kommunikation zu tun gehabt hätte, es sei hier nur um das Auffinden bestimmter „Signaturen“ gegangen, die im Zusammenhang mit einem Terrorverdächtigen standen.
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Wem man hier noch irgendwas glauben kann und will ist natürlich eine ganz andere Frage, eine vollständige Offenlegung der Anordnung und der genauen Umsetzung wird es wohl nicht geben, daran haben ganz offensichtlich weder die US-Geheimdienste noch Yahoo ein Interesse.
Apropos Interessen: Verizon möchte Yahoo immer noch kaufen, das Interesse ist nach den jüngsten Enthüllungen aber deutlich abgekühlt. Im Juli war dem Konzern sein Interesse an der Yahoo-Übernahme noch 4,8 Milliarden US-Dollar wert, inzwischen soll man dort den Wert der Übernahme deutlich auf 3,8 Milliarden reduziert haben. Und sollten diese Meldungen sich entsprechende negativ auf die Zahl der Yahoo-Nutzer auswirken, dann würde das den Preis wohl noch weiter drücken. Möglicherweise verliert Verizon auch langsam komplett das Interesse.