Ich habe meine LG G Watch jetzt eine Woche am Handgelenk und habe versucht sie so viel wie möglich im Alltag einzusetzen. Meine Erfahrungen in einem Wort zusammengefasst: Frust! Zuvor habe ich ein Jahr lang eine Pebble getragen und muss immer wieder feststellen, dass die Pebble nicht so schick aussieht, aber alle Aufgaben schneller erfüllt hat.
Verbindung
Seitdem ich eine Smartwatch trage lasse ich mein Smartphone gerne mal irgendwo liegen und trage es nicht immer in meiner Hosentasche herum. Die Dinger werden ja auch immer größer. Morgens nach dem Aufstehen liegt das Smartphone oft so lange auf dem Nachttisch, bis ich aus dem Haus gehe. Ich nutze ein Tablet um meine News zu lesen und wichtige Nachrichten bekomme ich direkt aufs Handgelenk wenn etwas sein sollte. Das hat mit meiner Pebble hervorragend geklappt. Nicht selten habe ich so die ein oder andere Geschäftsmail unter der Dusche gelesen.
Mit meiner LG G Watch kann ich das aber nicht mehr machen. Die Uhr spielt verrückt, wenn Wassertröpfchen auf dem Touchscreen sind. Sie geht an und aus, durch alle Menüs und wischt mir zufällig Notifications weg.
Der Hauptgrund warum ich sie aber nicht unter der Dusche nutzen kann wie bisher ist der schlechte Empfang. Sobald ich das Zimmer verlasse, ist der weg. Mit meiner Pebble konnte ich wirklich in der kompletten Wohnung rumlaufen und habe immer alle Nachrichten bekommen. Gefühlt hat sich das disconnected Symbol bei der G Watch schon ins Display eingebrannt.
Selbst wenn ich dann wieder in das Zimmer gehe, wo mein Smartphone liegt bin ich nicht sofort wieder verbunden. Es kann bis zu 10 Minuten dauern bis das automatisch geht. Es kann doch nicht sein, dass ich mehrmals am Tag die Android Wear App öffnen muss, um wieder zu verbinden. Ich habe schließlich eine Smartwatch um nicht mehr so oft zum Smartphone greifen zu müssen. Hier hoffe ich aber, dass das mit einem Software Update irgendwann schneller geht.
Display
Ein anderer Kritikpunkt ist das Display selbst. In der Mittagspause auf der Terrasse kann ich nichts erkennen weil das Display viel zu dunkel ist. Selbst auf höchster Displayhelligkeit ist es schwer. Zudem habe ich nicht immer Lust mich durch das Menü zu klicken um manuell die Displayhelligkeit zu ändern. Hier fehlt eindeutig ein Helligkeitssensor.
Viel schlimmer ist aber das Always-On Display. Tagsüber ist es ja ganz nett. Es lenkt nicht so viel Aufmerksamkeit auf sich wie wenn das Display ständig richtig an wäre. Aber Nachts ist es der Horror. Es leuchtet einfach viel zu stark. So stark, dass ich jeden Abend wieder in das Menü muss um das Always-On Display zu deaktivieren. Morgens dann das gleiche um es wieder zu aktivieren. Ansonsten verliert die Uhr ihre Hauptfunktionalität: Uhrzeit anzeigen. Das Display ist nämlich dann wirklich aus und aktiviert sich erst wieder, wenn ich auch die Uhr tippe oder das Display senkrecht zum Boden drehe was zumindest für mich eine sehr unnatürliche Weise ist meine Uhr zu lesen. Ich drehe eigentlich immer nur meine Uhr Richtung Gesicht und halte mir den Arm nicht vor die Augen.
Auch hier hat das die Pebble deutlich besser gelöst. Das Display ist durch E-Ink immer lesbar. Die Hintergrundbeleuchtung geht nur an, wenn man sein Handgelenk schüttelt. Das funktioniert super und passiert mir nur sehr selten aus versehen.
Google Play Services können nicht offline
Das allergrößte Problem von Android Wear sind aber die Google Play Services – die einzige Möglichkeit mit der Uhr zu kommunizieren. Eigentlich denkt man ja, dass die Uhr via Bluetooth am Smartphone hängt. Physikalisch macht sie das auch. Als Entwickler kann man aber nicht direkt über die Verbindung kommunizieren. Man muss mit den Google Play Services kommunizieren, die ihrerseits erst einmal alle Daten an einen Google Server senden der dann die Daten wieder zurück an das Smartphone schickt und an die Uhr weiterleitet.
In der Konsequenz bedeutet das für den User, dass man ohne Internet am Telefon eigentlich nichts mit der Smartwatch machen kann. Zumindest nichts was mit dem Smartphone kommunizieren muss.
Kein Internet bedeutet also, dass man Musik nicht mehr skippen oder Offline Wear Apps nicht mit Spracheingabe öffnen kann. Stellt euch einfach mal vor, dass ihr eine Präsentation haltet und mit eurer Uhr die Folien weiter klicken wollt. Ohne Internet geht das nicht. Das bedeutet aber nicht nur, dass das passiert, wenn ihr im Flugzeugmodus oder im Tunnel seid, sondern auch wenn euer Internet gedrosselt ist oder ihr nur EDGE habt. In Deutschland ist die Uhr also außerhalb vom heimischen WLAN nicht zu gebrauchen.
Usecase: Einkaufen gehen
Dass diese verdammte Uhr so gar nichts kann ist mir aufgefallen, als ich einkaufen gegangen bin. Vorher habe ich mir einen Einkaufszettel in Google Keep geschrieben, denn Keep hat eine Android Wear App. Ich will also meine Liste auf der Uhr nachsehen und abhaken können. Zuhause ausprobiert, alles super.
Also laufe ich los. Kopfhörer im Ohr. Auf der Uhr taucht der aktuelle Titel aus Google Play Music auf. Super! Nächster track. Den möchte ich nicht. Skippen. Skippen. Skippen…. Geht nicht. Habe wohl gerade keinen Empfang. Also wieder das Handy rausholen.
Endlich angekommen im Supermarkt. Gut gelaunt rede ich meine Uhr mit. “Ok Google, start Keep!” an. Hier die Ergebnisse:
“Ok Google, launch Keep” hat auch nichts gebracht.
Meine Uhr versteht also Start nicht. Obwohl ich im Menu “Start…” klicken muss um in die App Übersicht zu kommen. Also anders: “Ok Google, open Keep!”, mit leicht genervter Stimme. Loadingindicator, Keep öffnet sich, Loadingindicator, meine Einkaufsliste. Endlich. Gleich mal den Salat abhaken. Funktioniert. Weiter.
Die Gemüseabteilung hinter mir gelassen ein kleiner Check, was ich noch einkaufen muss. Mein Display zeigt wieder die Uhrzeit an. Ich tippe auf die Uhr und lande im Hauptbildschirm. WTF! Soll ich also jedes mal, wenn nach 30 Sekunden das Display aus geht die App neu starten? Egal ich habe andere Probleme als mir darüber Gedanken zu machen. Ich habe nämlich vergessen, was ich einkaufen muss. Also wieder “Ok Google, open Keep!” -> Loadingindicator… Disconnected. Aha! Ich habe also im Supermarkt keinen Ausreichenden Empfang. Einzige Lösung: Smartphone rausholen und dort meine Liste weiter bearbeiten.
Hier noch der Auszug aus der Android Wear Dokumentation die dieses “falsche” Verhalten explizit erwähnt. Ich glaube leider, dass sich deshalb daran so schnell nichts ändern wird. Das wurde auch bei der I/O gefragt und es gab keine wirklich befriedigende Antwort.
The system enforces a timeout period. If you are displaying an activity and user’s don’t interact with it, the device sleeps. When it wakes back up, the Wear home screen is displayed instead of your activity. If you need to show something persistent, create a notification in the context stream instead.
Dem User soll also dann eine Notification angezeigt werden. Sehr komplizierter Prozess. Nicht nur für den Entwickler, sondern auch für den User.
Usecase: Kochen mit Musik
Ich fange an zu kochen. Mein Smartphone liegt etwas abseits auf dem Tisch. Etwas Musik wäre jetzt ganz gut. “Ok Google, play music” – Mein Smartphone fängt an einen Google Play Music “I’m feeling lucky mix” abzuspielen. Super, Job erfüllt. Funktionen wie “play music with Spotify” oder einer anderen App verlange ich gar nicht.
Das Fleisch in der Pfanne brutzelt inzwischen ziemlich laut. Jetzt nur noch die Musik lauter machen. Aber wie? Es gibt keinen Button dafür, keine Voice Action. Mir bleibt nichts anderes übrig als zum Smartphone zu laufen und es dort einzustellen.
Wohlgemerkt war das eines der einfachsten Dinge, die meine Pebble besser gemacht hat. Zum Musik starten musste ich da zwar 2 Buttons klicken, aber das ging unabhängig von der Internetverbinung. Lautstärke ändern geht dort auch mit zwei Klicks, wenn man sich in der Music App befindet. Außerdem hatte ich bei der Pebble nie das Problem, dass skippen nicht ging, ich das Handy aus der Hosentasche geholt habe um vorzuspulen und 30 Sekunden später 3 weitere Tracks geskippt wurden, weil endlich die Aktionen der Uhr über die Google Play Services beim Smartphone angekommen sind.
Was mich aktuell noch an der Uhr hält?
Ich bin Android Developer, Early Adopter und sehe das Potential in Wearables. Hardware wird besser, Software kann verändert werden. Ich hoffe, dass Android Wear noch den Sprung weg vom Onlinezwang schafft und ich geile Apps für Wearables entwickeln kann. Ich glaube auch, dass die aktuellen Android Wear Uhren ganz schön alt aussehen werden, wenn Apple endlich mit einer Lösung kommt. Besonders, weil Apple mit Sicherheit Shake-to-Unlock unterstützt. Konkurrenz belebt das Geschäft und wenn Android Wear 2.0 kommt und für viele Menschen wirklich einen Mehrwert zu einer Casio Uhr bietet weiß ich schon mal die Schwächen dieser Technologie und kann Kunden dementsprechend beraten.
Bei der aktuellen Technik würde ich aber niemandem eine Android Wear Uhr empfehlen. Ich frage mich gerade wirklich, was Google geritten hat, die Uhren regulär und nicht als Beta zu verkaufen und sogar auf Google Play groß anzupreisen. Für die Masse sind diese Dinger noch lange nichts.