Surface ist ein PC. Surface ist ein Tablet und – Surface ist etwas ganz Neues. Das verkündete Microsoft-Chef Steve Ballmer bei der Vorstellung des Windows-Tablets in Los Angeles. Eines ist das Microsoft-Tablet Surface in jedem Fall: ein Aufreger, kein Langweiler. Und ein moderner Eyecatcher: kantig und schnörkellos, mit klarer Linienführung. Wer es mag, der klippt einen bunten Farbklecks als Abdeckung und Tastatur dran. Alles passt perfekt zum quadratisch, neuen Kachel-Look von Microsoft.
Ausstattung
Unser Testgerät des Surface RT kostet in der Grundversion (Farbe “Dunkeltitan”) mit 64 GByte und schwarzem Touch Cover, das sowohl als Schutzhülle und drucksensible Tastatur dient, derzeit 679 Euro. Ohne das 3 Millimeter dünne Touch Cover stemmt das Surface RT bei Abmessungen von 274,6 x 172,0 x 9,4 Millimetern exakt 680 Gramm auf die Waage. Microsoft packte uns für den Kurztest auch noch jeweils ein Touch Cover für je 120 Euro in Weiß und im Farbton Cyan, sowie das rund 6 Millimeter flache schwarzfarbene Type Cover mit mechanischen Tasten für 130 Euro in den Karton.
Auch der Surface HD Digital AV Adapter für den Anschluss an HDMI-kompatible Geräte und Bildschirme, sowie der Surface VGA Adapter für VGA-kompatible Anzeigegeräte war bei der Teststellung dabei. Beide funktionieren im Kurztest mit Tablet und einem externen Full-HD-TV sowie -Display tadellos. Leider gehört keiner der beiden Adapter für den micro-HDMI-Anschluss an der rechten Seite des Surface RT zum Lieferumfang des Tablets. Bei Microsoft kosten die Adapter jeweils 40 Euro.
Gehäuse
Rechts verfügt das Surface RT zudem über einen USB-2.0-Port und einen fünfpoligen, an Apples Magsafe erinnernden Stromanschluss, der via Magnet anklippt. Das klappt zwar grundsätzlich, allerdings im Vergleich nicht so souverän wie bei Apple. Denn ab und zu verkanteten wir den Stecker und dann musste etwas mit den Fingern nachgepfriemelt werden. Schräg darunter ist der microSD-Kartenleser (SDXC) untergebracht. Zum Einschieben einer SD-Karte (bis 64 GByte) muss der Metallstandfuß ausgeklappt werden.
An der Geräteunterseite integriert das Surface RT den ebenfalls magnetischen Coveranschluss für Touch oder Type Cover. Links an der Tablet-Seite hat Microsoft die Lautstärkewippe und die Kopfhörerbuchse untergebracht. Der Ein- und Ausschalter sowie die beiden Mikrofone befinden sich an der oberen Gerätekante. Microsofts obligatorischer Windows-Button ist auf der Displayseite unten in der Mitte platziert und die beiden integrierten 720p-Kameras an der Vorder- und Rückseite im oberen Displaybereich.
Wie zu Beginn bereits erwähnt: das Design des Surface RT ist mit seiner kantigen Form sicher Geschmackssache. Auf dem Bürotisch sieht das Tablet für unseren Geschmack, besonders zusammen mit der flachen Touch-Cover-Tastatur, aber schon sehr stylisch aus. Auch Verarbeitung und Qualität des Tablet-Chassis sind dank VaporMg-Chassis, einer leichten, aber hochfesten Magnesiumschmelzlegierung, tadellos. Gleiches gilt für den integrierten Standfuß aus Metall, der sich einfach ausklappen lässt. Damit steht das Tablet sehr stabil. Insgesamt fasst sich das Surface sehr wertig und grundsolide an. Im Vergleich mit der Konkurrenz, wie beispielsweise dem iPad, liegt das Surface RT mit allen Top-Tablets auf Augenhöhe. Microsoft gewährt auf das Surface RT eine Garantie von 2 Jahren.
Bedienung
Ganz ehrlich: So elegant das Surface RT auf vielen Fotos auch rüberkommt – als wir das Surface RT das erste Mal in die Hand nehmen, wirkt das Tablet subjektiv wie ein flacher Klotz und deutlich schwerer, als beispielsweise das iPad oder Nexus 10. Fast wie eine schwere, massive Metallplatte. Offensichtlich sitzen wir da aber einer Täuschung auf. Denn mit 680 Gramm ist das Surface nicht weit vom iPad mit 652 Gramm entfernt. Deutlicher hingegen schon der Unterschied zum Google Nexus 10 mit 603 Gramm.
Klar, so ein massives 10,6″-Tablet liegt nicht so leicht in der Hand, wie beispielsweise das kleinere 7,9 Zoll iPad Mini (308 Gramm) oder so manches 7″-Android-Tablet, aber wir gewöhnen uns recht schnell an Gewicht und Balancing des RT-Tablets. Beim längeren Arbeiten stellen wir das Microsoft-Tablet dann aber doch öfter auf einer Unterlage ab. Dank dem integrierten Kickstand gelingt das auch auf dem Schoß ohne allzu große Zirkusakrobatik. Schade, dass sich der Aufstell- und Neigewinkel des integrierten Tabletständers nicht mit zusätzliche Einraststellungen verändern lässt. Ein Beinbruch ist das aber sicher nicht. Richtig wohl fühlen wir uns mit dem Surface erst auf dem Schreibtisch, zusammen mit einer der ansteckbaren Tastaturen.
Hat man keines der Snap-in-Keyboards oder keine externe Tastatur und Maus zur Hand, dann erfolgt die Bedienung – bis auf die Lautstärkewippe, Power-Knopf und Windows-Button – mit dem 5-Punkt-Multitouchscreen des Surface RT. Das Reaktionsverhalten und die Präzision des Touchcreens geht für uns subjektiv völlig in Ordnung. Das Bedienen mit Drehen, Ein- und Auszoomen oder Umblättern und Wischgesten werden vom Touchscreen zuverlässig und zügig umgesetzt. Gleiches gilt für die virtuelle Bildschirmtastatur. Damit lässt sich für ein virtuelles Keyboard ganz kommod tippen.
Anstecktastaturen Touch Cover und Type Cover
Wer viel schreibt, der wird das Surface RT über kurz oder lang entweder mit einer externen USB- oder Bluetooth-Tastatur, oder einer der beiden Keyboards zum Anstecken verwenden. Schon deshalb, weil damit die gesamte Anzeigefläche des Displays sichtbar bleibt und nicht teilweise von der Onscreen-Tastatur verdeckt wird. Der Vorteil der Microsoft-Cover-Tastaturen: Touch und Type Cover dienen auch als Bildschirmschutz. Durch Umklappen des Covers werden die Tasten automatisch deaktiviert. Wird das Cover geschlossen, dann wird auch das Display ausgeschaltet. Die Magnete halten beide Anstecktastaturen (78 Tasten) sicher an Ort und Stelle.
Beim superflachen und spritzwassergeschütztem Touch Cover (212 Gramm) mit drucksensibler Folientastatur hat Microsoft inzwischen Probleme mit dem rauen Kunststoffüberzug des Keyboards eingeräumt. Bei einigen Kunden franste das Material schon nach kurzer Zeit an der Seite aus und begann sich aufzutrennen (siehe Detailfotos zu den Kanten des Touch Cover). Für unseren Geschmack ist die Oberfläche des 279 x 188 x 3 Millimeter messenden Covers zu grob geraten. Besonders die Nutzung des Touchpads (64 x 29 mm) ist für uns mehr ein Herumkratzen als geschmeidige Touchbedienung. Das Tippen selbst klappt nach etwas Eingewöhnung, wegen dem fehlenden Tastenhub, auf den Folientasten mit 15 x 14 mm aber recht passabel und auch deutlich schneller als an der virtuellen Bildschirmtastatur. Am Ende der kurzen Teststellung fanden wir das Touch Cover trotzdem irgendwie cool, aber auch zu teuer. Für das superflache Schutzcover zum Tippen sollte Microsoft seine Preispolitik von 120 Euro überdenken.
Für Vieltipper ist das Type Cover (216 Gramm) mit mechanischen Tasten (16 x 16 Millimeter) sicher die bessere Wahl. Das ist aber mit 130 Euro auch zu teuer. Allerdings bieten die Tasten einen zwar geringen, aber gut spürbaren Tastenhub mit klarer Rückmeldung. Die matte Oberfläche des Type Cover (277 x 188 x 6 mm) zieht Fingerabdrücke leider magisch an. Egal ob trockene oder schwitzende Finger – nach dem Tippen einiger Texte war die Tastatur doch deutlich mit Fingerspuren übersät. Zudem verhielt sich das Touchpad des Type Cover teilweise störrisch und folgte nicht präzise den Fingerbewegungen. Die Touchfläche mit 64 x 32 Millimeter könnte zudem gerne etwas größer ausfallen.
Display
Microsoft nutzt ein spiegelndes 10,6-Zoll-HD-Display, das eine native Auflösung von 1.366 x 768 Pixeln im filmfreundlichen 16:9-Breitbildformat bietet. Die Auflösung des Surface RT ist zwar geringer als beispielsweise bei Apples iPad 3 mit 2.048 x 1.536 Pixeln oder Googles Nexus 10 mit 2.560 x 1.600 Pixeln, dank “ClearType” kommen aber besonders die Schriften auf der Surface-Anzeige sehr scharf. Auch sonst überzeugt das HD-Display sowohl bei der 9-Zonen-Leuchtdichtemessung mit dem Präzisionsmessgerät Mavo-Monitor USB von Gossen, als auch bei der subjektiven Beurteilung unserer Testbilder.
Die maximale Helligkeit messen wir in der Bildmitte mit 342 cd/m². Im rechten unteren Bildsegment ermitteln wir den geringsten Wert: 300 cd/m². Für den Schwarzwert erhalten wir 0,40 cd/m². Damit kommt das Surface RT beim Kontrast auf einen ordentlichen Wert von 855:1. Die Ausleuchtung beträgt 87,5 Prozent. Mit weißem Testbild ist eine leichte Abschattung zu den Rändern hin festzustellen. Bei den möglichen Blickwinkeln lässt sich das Surface aus jeder Position gut bis sehr gut ablesen. Die Farbwiedergabe ist bei den Monitortestbildern im Sichtvergleich zu unserem hardwareseitig kalibrierten ViewSonic VP2365-LED sehr neutral. Farben wirken brillant aber nicht übersättigt. Besonders der Hautton bei Portraits wirkt sehr stimmig.
Im Freien spiegelt das Display des Surface, wie das der meisten Konkurrenten, so stark, dass auch bei voller Helligkeit des Displays, ein komfortables Ablesen der Anzeige unter freiem Himmel nur eingeschränkt möglich ist. Microsoft will zwar störende Reflexionen des Surface-Displays vermindert haben und verweist da auch gleich auf externe Vergleiche, wie beispielsweise von DisplayMate. In der Praxis und im Kurztest bemerken wir davon allerdings überhaupt nichts. Trotz der ordentlichen Maximalhelligkeit des Panels, tut man sich wie bei anderen Tablets mit Spiegeldisplay schwer, etwas auf der Anzeige zu erkennen.
Software
Nach dem ersten Einschalten und der darauf folgenden Grundeinrichtung des Surface RT inklusive WLAN ist zunächst Warten angesagt. Das Tablet lädt in unserem Kurztest ein Update mit 12 Patches herunter. Inklusive Installation und Neustart vergehen rund 10 Minuten. Danach begrüßt uns der Startbildschirm des Surface RT mit der Kacheloberfläche “Modern UI” (vormals Metro UI), der die Verwandtschaft zu Windows 8 nicht leugnen kann. Doch die Optik täuscht: Klassische Apps und Anwendungen (x86/x64) für Windows 8 laufen mit dem für ARM-Prozessoren entwickelten Windows RT nicht. Wer seine vorhandenen Windows-Programme weiter mit Surface nutzen will, der muss auf das Surface Pro für Windows 8 mit Intel Core-i5-Prozessor warten.
Im Test lassen sich auch ausschließlich Apps aus dem Microsoft-Store auf dem Surface-Tablet installieren. Und die sind im Windows Store, im Vergleich zur riesigen Auswahl von Apps in Apples App Store oder Googles Play Store, derzeit auch noch recht dünn gesät und überschaubar. Das gilt für Apps von Google und für Soziale Netzwerke gleichermaßen, wie für die Bereiche Spiele und Produktivität. Da die Plattform aber noch vergleichsweise neu ist, braucht es einfach noch Zeit, bis Microsoft und die Entwickler hier für mehr Nachschub sorgen.
Für die vorinstallierten Apps sind im Kurztest schon 15 Updates verfügbar. Neben Bugfixes überarbeitet Microsoft mit den Updates auch den Funktionsumfang der hauseigenen Apps. Bei Windows RT ist zudem Office Home and Student 2013 RT Preview mit Excel, OneNote, PowerPoint und Word an Bord. Das Betriebssystem, die Apps und die Systempartitionen brauchen allerdings viel Speicher. Laut Datenträgerverwaltung stehen dem Anwender von den insgesamt 58,12 GByte des Datenträgers, tatsächlich lediglich 43,39 GByte zur freien Nutzung zur Verfügung.
Im RT-Startbildschirm mit den Kacheln lässt sich sehr flott navigieren. Details zur Performance haben wir im Kapitel Hardware und Leistung zusammengefasst. Die Bedienung, wie durch Magazin- oder Shopseiten und Fotoalben scrollen oder Apps und Fenster nebeneinander anzeigen, klappt auch mit den Fingern sehr zuverlässig. Geht es um die Bedienung der Menüs in Apps wie Office oder Drop-Down-Menüs im Desktop-Modus, dann wird es mit den Fingern sehr schnell fummelig. Hier nutzen wir gerne Tastatur und Touchpad des Touch oder Type Covers, um schnell und bequem weiter zu kommen. Neben der neuen Kacheloberfläche im Modern-UI-Stil, lässt sich auch noch der bisher gewohnte, alte Desktop aufrufen, um beispielsweise Systemeinstellungen vorzunehmen oder Daten zu kopieren.
Mit Windows 8 und Windows RT geht Microsoft den gleichen Weg wie Apple und Google. Zwar lässt sich Windows RT zunächst auch offline, ohne Internetverbindung und ohne Microsoft-Konto benutzen. Wer aber alle Funktionen von Windows RT und der Anwendungen nutzen, sowie Apps installieren will, der muss – sofern nicht vorhanden – auch ein Microsoft-Konto eröffnen. Das gilt auch für kostenlose Apps oder Spiele via Xbox-Live. Konsequenterweise sollte Microsoft dann aber, wie anderen Anbieter, als Alternative zu Hotspots und Tethering über eine Modellvariante mit integrierter UMTS- oder LTE-Unterstützung nachdenken (siehe Kapitel Hardware und Leistung).
Systemrecovery: Zwar verbrauchen die Wiederherstellungspartitionen zusammen rund 3,8 GByte, beim Zurücksetzen des Surface RT kann sich der Anwender dafür aber bequem zurücklehnen und hat quasi auf Knopfdruck innerhalb von rund 12 Minuten ein taufrisches System zurück. Die Wiederherstellung wird bei den PC-Einstellungen durch Anwählen von “Alles entfernen und Windows neu installieren” und dem Feld “Los geht’s” gestartet, den Rest erledigt Windows RT dann automatisch.
Kameras und Multimedia
Das Surface RT integriert an der Vorder- und Rückseite jeweils eine Kamera, die Microsoft als “LifeCams” bezeichnet und die Videos sowie Fotos mit 1.280 x 720 Pixeln aufnehmen. Im Videomodus zeichnete das Tablet die Clips mit der fortlaufenden Bezeichnung “Video001”, “Video002” usw. als MP4-Dateien mit bis zu 30 B/s, einer Bitrate von bis zu 9,3 kBit/s und Audio mit bis zu 170 kBit/s Stereo mit 44 kHz auf. Die Kamera an der Rückseite ist leicht abgewinkelt, damit sie bei ausgeklapptem Ständer horizontal ausgerichtet ist. Einen LED-Blitz oder eine Mini-Leuchte bietet das Tablet nicht. Dafür sind neben beiden Kameras kleine Aktivitäts-LEDs angebracht, die während der Aufnahme von Videos oder Fotos leuchten. Wie Microsoft angibt, dienen die Leuchtdioden dem Schutz der Privatsphäre. Ausschalten lassen sich die LEDs nicht.
Bei der Bild- und Videoqualität kommen beide Kameramodule des Surface-Tablets wie erwartet, weder bei Studiolicht noch im Freien an gute Smartphones, geschweige denn an günstige Kompaktkameras heran. Im Vergleich zum Gros der günstigen Android-Tablets mit Kameras bis 2 MPixel schneidet das Surface aber sowohl bei den Bildern des Testcharts, als auch bei der Graffiti Wall noch recht passabel ab. Outdoor lassen sich durchaus brauchbare Schnappschüsse machen. In Innenräumen kommt es sehr auf die Lichtverhältnisse an. Bei wenig Licht rauschen die Kameramodule deutlich, im Freien treten Bildfehler wie Purple Fringing vergleichsweise früh auf. Unter dem Strich lässt sich mit den Kameras bei Skype und für Schnappschüsse auskommen.Die Stereolautsprecher sind an den beiden Seiten des Tablets links und rechts platziert. Das kommt dem räumlichen Höreindruck, im Vergleich zu Lösungen mit Lautsprechern, die nur an einer Seite angeordnet sind (bspw. iPad Mini), sehr zugute. Prima: Microsoft hat die Lautsprecher an den Seiten in den oberen Bereich verfrachtet. Dort werden die Speaker auch beim Halten mit zwei Händen nicht verdeckt. Der Sound haut uns bei der Klangbeurteilung nicht vom Hocker, klingt aber für unsere Ohren im Vergleich zu anderen Tablets weit weniger scheppernd. Die maximale Lautstärke ist vergleichsweise gering. Der Sound aus der Kopfhörerbuchse klingt sehr gut.
Hardware und Leistung
Vorbemerkung
Als Applikationsprozessor arbeitet im Tablet Surface RT von Microsoft ein alter Bekannter: Nvidias Quad-Core Tegra 3 T30. Der bei TSMC im 40nm-Verfahren hergestellte ARM Cortex-A9 MPCore basierte System-on-Chip (SoC) wurde von Nvidia bereits Anfang November 2011 vorgestellt und ist inzwischen in zahlreichen Android-Geräten zu finden. Unter Windows 8 ist der Tegra 3 geringer getaktet, als bei Geräten mit Android. Nvidia nennt für die maximale Taktfrequenzen des T30 unter Windows 1,3 (Quad-Core) bis 1,4 GHz (Single-Core).
Das sind nicht die einzigen Einschränkungen. Wie Nvidia inzwischen auch offiziell einräumt, arbeitet der Tegra 3 unter Microsofts Windows RT auch längst nicht so effektiv, wie mit Googles OS Android. So bleibt beispielsweise der im Tegra 3 integrierte fünfte Rechenkern (auch “Companion”-Core) zur Schonung des Akkus bei Windows RT komplett ungenutzt.
Die variable SMP-Architektur aus Quad-Core, mit bei Bedarf maximaler Leistung und einer fünften Recheneinheit zur Schonung des Akkus, funktioniert bei Nvidias Tegra 3 zusammen mit Windows RT also gar nicht. Unter Android kann der 5. Core des Tegra 3 einfache Aufgaben übernehmen, die nur wenig Energie erfordern: aktives Stand-by, Musik und Videos. Bei Windows RT muss dies einer der 4 Main-Cores übernehmen. Der vorhandene Energiespar-Rechenkern ist gezwungen, tatenlos zuzusehen.
Laut Softwareentwicklern soll es weitere Hürden geben, die verhindern, dass Nvidias Tegra 3 effizienter und schneller unter Windows RT arbeitet. So liege der entsprechende ARM-Compiler für Windows bislang noch in der ersten Version vor. Erst mit einer künftigen und neueren Compiler-Version sollen Apps deutlich performanter werden. Eine weitere Leistungsbremse: Die Benutzeroberfläche (Modern UI) von Windows RT werde über DirectX ausgegeben. Der Tegra 3 unterstütze aber lediglich DirectX Feature Level 9.1 und damit keine Hardwarebeschleunigung bei Direct2D. Somit schalte das System bei der Darstellung von UI oder Internetseiten im Internet Explorer (IE) auf den Software-Rasterizer WARP (Windows Advanced Rasterization Platform) um, was sich nachteilig auf die Geschwindigkeit auswirke. Windows RT enthält das Direct3D 11.1 Runtime mit einer upgedateten Version von WARP (Anmerkung der Redaktion).
Nachteilig soll sich das vor allem auf die Geschwindigkeit von HTML-basierten Apps und Anwendungen auswirken. Hierzu gehören auch zahlreiche Basis-Apps wie der Kalender, Kontakte und Mail. Alles zusammen mag ein Indikator für die tieferliegenden Gründe sein, warum das Surface RT im Test nicht wie erwartet bei der Leistungsbeurteilung abschneidet. Wegen des kurzen Leihstellungszeitraums konnten wir das aber nicht endgültig klären. Für uns hinterlässt das Surface RT bei der Gesamtleistung aber den Eindruck, als wäre bei der sicherlich noch kommenden Optimierung via Updates, noch einiges an Leistung herauszukitzeln.
Hardware und Leistung
Neben dem Tegra 3 verfügt das Testgerät von Microsofts Tablet Surface über die integrierte Grafik GeForce ULP, 2 GByte Hauptspeicher und satte 64 GByte Flashspeicher, von dem sich – wie oben beschrieben – allerdings lediglich 43,39 GByte nutzen lassen. Zur drahtlosen Kommunikation sind WLAN 802.11a/b/g/n (2,4 und 5 GHz) und Bluetooth 4.0 an Bord, die sich im Kurztest problemlos nutzen ließen und sich durch eine hohe Verbindungsqualität auszeichneten. Bei den Sensoren sind Beschleunigungssensor, Gyroskop, Magnetometer und ein Umgebungslichtsensor vorhanden. Über ein eingebautes 3G/UMTS- oder LTE-Modem sowie GPS verfügt das Tablet nicht.
Bei der Leistungsbeurteilung erleben wir mit dem Surface RT sowohl Licht als auch Schatten. Das Tablet startet aus dem ausgeschalteten Zustand in rund 30 Sekunden und lässt sich anfangs auch recht flott auf der Kacheloberfläche bedienen. Je nach App dauert aber bereits das Starten von Anwendungen gefühlt deutlich länger als bei iPad oder Android-Tablets. Besonders, wenn sich zu den permanent aktualisierenden Live-Kacheln noch weitere schnelle Aktionen, wie Umschalten auf den Desktop mit Kopierfunktion gesellen, bemerken wir doch das eine oder andere Ruckeln. Allerdings reagieren die Apps teils sehr unterschiedlich – einmal klappte das Lesen und Scrollen durch die Mails sehr flott, das andere Mal kam es dabei zu spürbaren Verzögerungen.
Ganz wild wurde es in unserem Test nach dem Start des IE10. Bei einzelnen Webseiten kam es trotz erstklassiger Internetverbindung in den ruhigeren, späten Abendstunden zu derben Verzögerungen beim Surfen und Aktionen wie Scrollen oder Ein- und Auszoomen. Ähnliches war bei Office und vereinzelt in Apps zu beobachten. Das Surface-Tablet vermittelte subjektiv den Eindruck, als würde es “nur auf 3 Zylindern” und nicht “richtig rund laufen”.
Bei Games und Videos präsentierte uns das Surface-Tablet hingegen seine schnelle Seite. Im Spiel Hydro Thunder Hurricane rasen wir mit “pfeilschnellen Rennbooten durch abgefahrene Szenerien mit umwerfender Optik und erstaunlich dynamischen Wassereffekten”, dass die Gischt tatsächlich nur so spritzt. Hier bemerken wir kein Ruckeln und auch keine Verzögerungen. Der Tegra 3 erreicht als maximale Auslastung lediglich bis zu 75 Prozent. Auch mit HD-Videos hat das Surface-Tablet keinerlei Probleme und spult sowohl unsere Testvideos als auch heruntergeladene Filme flüssig ab. Wir treiben es dann auf die Spitze und lassen im Hintergrund ein HD-Video laufen und im Vordergrund überschlagen wir uns mit dem Rennboot. Das reicht dann auch für den Tegra 3, um ihn unter Windows RT nahezu voll auszulasten. Trotz der hohen Auslastung konnten wir aber kein vergleichbares Ruckeln, wie mit dem IE10 oder Office feststellen – verkehrte Welt.
Microsoft empfiehlt als Problembehandlung bei langsamem Surface-Tablet: Surface neu starten oder unterschiedliche Apps testen. Wenn das nichts bringt – Surface abkühlen lassen. Falls die Leistung des Surface-Tablets danach noch immer nicht zufrieden stellt, dann rät Microsoft zu einer Aktualisierung des Surface, was aber einer Neuinstallation von Windows gleichkommt. Wir haben davon dankend abgesehen und stattdessen die Leistung der Surface in den aktuell machbaren Benchmarks BrowserMark, Google V8 und SunSpider geprüft. Im BrowserMark enttäuscht das Surface mit 69,810 Punkten, im Google V8 dümpelt das Tablet bei rund 800 Punkten herum. Nur im Browser-Test SunSpider, der die JavaScript-Geschwindigkeit prüft, ist das Surface mit 1.005,6 ms sehr schnell unterwegs.
Akku und Temperatur
Das Surface RT kommt mit einem 24-Watt-Netzteil und einem 31,5 Wh starken Lithium-Ionen-Akku (7,4 V) daher. Microsoft nennt für sein Windows-RT-Tablet eine Akkulaufzeit von bis zu 8 Stunden bei “normaler Verwendung”, was auch immer der Softwareriese darunter verstehen mag. Bei uns im Kurztest hält das Microsoft-Tablet mit minimaler Displayhelligkeit bei der Anzeige eines PDFs rund 14 Stunden und 17 Minuten durch. Bei halber Displayhelligkeit und Surfen im Internet schaltet sich das Tablet nach 8 Stunden 49 Minuten ab – ein respektabler Wert für das Windows-RT-Tablet.
Bei ausgeschaltetem Tablet und vollständig leerem Akku, messen wir beim anschließenden Laden einen Energieverbrauch am Netzteil von 19,6 bis 20,1 Watt. Nach 3 Stunden und 10 Minuten ist der Akku wieder voll. Wir haben auch überprüft, wie viel Saft das Tablet beim Aufladen des zuvor komplett entleerten Akkus und gleichzeitigem Lastbetrieb, beispielsweise beim Installieren von Apps, aus dem Netzteil zieht. Hier ermitteln wir maximal 28,1 Watt, was das 24-Watt-Netzteil auf Dauern nicht gutheißen dürfte.
Bei den Temperaturmessungen bleibt das Surface RT bei geringer Auslastung wie Websurfen mit Durchschnittstemperaturen von 28,5 und 30,1 Grad an Unter- und Oberseite vergleichsweise kühl. Unter Volllast beim längeren Spielen ermitteln wir dann eine geringe Erwärmung auf durchschnittlich 32,6 und knapp 34 Grad. Als maximale Temperatur erhalten wir beim Daddeln 38,7 Grad. Insgesamt gehen die Temperaturen des Surface RT auch subjektiv absolut in Ordnung.
Top und Flop
TOP
- hochwertiges Gehäuse
- raffinierte Keyboard-Cover
- gutes Display
- lange Akkulaufzeit
FLOP
- hoher Preis
- hohe Zubehörpreise
- unausgewogene Leistung
Fazit
Steht das Surface RT auf dem Schreibtisch, dann könnte es für den einen oder anderen schnell Liebe auf den ersten Blick werden. Das Tablet von Microsoft sieht klasse aus und fühlt sich auch beim Anfassen richtig gut an. Kein Zweifel: Microsoft hat mit seinem Surface RT einen respektablen Einstieg im Tablet-Markt hingelegt und vieles richtig gemacht. Was wir mögen ist die klasse Verarbeitungsqualität und die wertigen Materialien, sowie das pfiffige und praktische Zubehör in Form der Tastatur-Cover. Leider sind die Zubehörpreise nichts für den schmalen Geldbeutel.
Auch bei der Akkuleistung und dem Display muss sich das Surface RT nicht vor der Konkurrenz verstecken. Mit einer Akkulaufzeit von fast 9 Stunden beim Websurfen liegt das Microsoft-Tablet auch im Vergleich zu iPad und Co. auf Augenhöhe mit der Konkurrenz. Das Display bietet zwar nicht eine so hohe Auflösung wie das Apple iPad oder das Nexus 10 von Google, dafür gibt es kaum Farbverfälschungen. Zudem sind Helligkeit und Kontrast erfreulich hoch.
Weniger hat uns das Tablet Surface RT bei der Gesamtleistung gefallen. Offenbar kämpft Microsoft bei Windows RT noch mit Kinderkrankheiten und muss bei OS, Apps und Anwendungen sowie der Hardwarekompatibilität noch eine Menge Feinarbeit leisten. Der aktuell im Vergleich zu Apple und Google noch recht spärlich bestückte Windows Store stört uns weniger. Es ist davon auszugehen, dass sowohl Microsoft als auch Entwickler hier noch kräftig draufpacken werden. Zum jetzigen Zeitpunkt stellt sich für uns allerdings die Frage, warum sich ein Kunde abseits der Alternativen von iOS und Android sowie Office für Windows RT entscheiden sollte.