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Black Mirror Bandersnatch: Sorry, Netflix – interaktiv ist Quatsch

Ich liebe die Serie Black Mirror! Das direkt mal zu Beginn. Die Netflix-Serie (vormals Channel 4) zeichnet über mittlerweile vier Staffeln ein teils doch sehr düsteres, verstörendes Bild der nahen Zukunft. Ihr wisst ja vielleicht, dass ich persönlich nicht ganz so dystopisch unterwegs bin und durchaus mit Vorfreude auf das blicke, was uns Technik in Zukunft ermöglichen wird.

In der Serie pickt man sich aber ganz bewusst die Themen heraus, in denen Technik teilweise heute schon bedrohlich wirken kann. Wenn man das dann nur ein kleines bisschen weiterdenkt, landet man bei den Black Mirror-Dystopien und man muss zugeben, dass man sich vieles genau so oder zumindest ähnlich vorstellen kann.

Als sich die Gerüchte verdichteten, dass noch vor einer fünften Staffel ein Black Mirror-Film erscheinen würde, war ich natürlich komplett aus dem Häuschen. Als dazu dann noch verkündet wurde, dass es sich da angeblich um einen interaktiven Streifen mit verschiedenen Optionen handeln soll, war ich zwar gespannt, aber direkt etwas weniger euphorisch. Hier ist der Trailer zu dem ersten Black Mirror-Event Bandersnatch:

Die Voraussetzungen waren für mich persönlich perfekt: Black Mirror, ein Plot, der in den Achtzigern und der Gaming-Branche spielt, dazu der Achtziger-Jahre-Soundtrack. Selbst meine Helden Depeche Mode sind mit „New Life“ vertreten, dazu die Thompson Twins, XTC, Frankie goes to Hollywood und mehr.

Worum geht es exakt im Film? Kann ich euch sagen: Der Programmierer Stefan entwirft im Jahr 1984 auf der Grundlage eines Fantasy-Romans ein Videospiel. Der Roman heißt „Bandersnatch“ und stammt von Jerome F. Davies. Der ist beim Schreiben verrückt geworden und diese Verrücktheit äußerte sich unter anderem darin, dass er seiner Frau den Kopf abschnitt. So weit, so blutig.

Alles so schön meta hier

Damit kommen wir zum eigentlich interessantesten Punkt der ganzen Bandersnatch-Nummer: Die Metaebenen! Stefan ist von dem Roman fasziniert, weshalb er auch versuchen möchte, dieses eigentlich unmöglich umsetzbare Buch als Spiel zu programmieren. Das soll eben genau so viele Optionen wie die Vorlage erhalten. Wir Netflix-People schließlich sitzen auf der Couch und haben ebenfalls dieses ganze Füllhorn an Optionen, denn viele Male im Film werden wir gebeten, uns für eine von zwei Optionen zu entscheiden und auf diese Weise den weiteren Verlauf zu bestimmen.

Ganz abgedreht wird das Spielchen dann, wenn der Protagonist Stefan langsam erahnt, dass auch er nur ein kleines Rädchen im Bandersnatch-Gefüge ist und er von irgendwo gesteuert wird. Was ist eigentlich ein Netflix?

Während ich vorm Schauen dachte, dass man nur schwerwiegende Entscheidungen zu treffen hat, geht der Spaß direkt nach wenigen Minuten los mit der Wahl der Cerealien beim Frühstück. Sugar Puffs oder doch lieber Frosties? Unmöglich zu beurteilen, wohin euch die Wahl in der Story führen kann. Ihr habt übrigens immer nur wenige Sekunden Zeit, um eure Entscheidung zu treffen. Je nach Auswahl kann der Spaß schon nach einer knappen Dreiviertelstunde vorbei sein oder 90 Minuten netto dauern. Insgesamt soll es sich um fünf Stunden Filmmaterial handeln.

Viel mehr zu der Handlung werde ich jetzt auch nicht sagen. Es geht halt darum, ob Stefan diesen Deal bei der Computerspiele-Firma Tuckersoft bekommt oder nicht. Mehr Infos zur Story würden euch gerade bei diesem interaktiven Abenteuer den Spaß verderben, zumal es eh unzählige Möglichkeiten gibt, wie die Geschichte sich entwickelt.

Schwierig, diese Interaktivität

Mach ich jetzt dieses oder jenes — das Prinzip funktioniert in Spielen ja wirklich gut. Es ist auch nicht das erste Mal, dass versucht wird, so etwas in Buch- oder Film-Form umzusetzen. Dennoch überzeugt mich das Prinzip nicht restlos. Ich hab an einem Punkt der Story die Möglichkeit gehabt, zu einem bestimmten Ausgangspunkt zurückzugehen. Sagen wir, wie es ist: Ich hatte vorher die falsche Option gewählt und damit direkt verkackt.

Also wieder von vorne, kurze Zusammenfassung des bisher Geschehenen, bessere Entscheidungen treffen, anderen Handlungsverlauf beobachten. Ich hab das Spiel eine ganze Weile gemacht, verschiedene Versionen meiner ganz eigenen Geschichte gesehen (die so eigen ja nun dann doch nicht ist) und auch verschieden Enden. Man ist mit Bandersnatch also deutlich länger beschäftigt, als mit einem normalen Film. Teilweise stoßt ihr aber nicht komplett neue Türen auf, sondern variiert die eigentliche Story nur minimal.

Wichtig dabei ist, dass ihr wirklich aufmerksam den Film verfolgt. Nebenher am Smartphone daddeln oder chatten ist nicht drin, weil ihr sonst wichtige Hinweis oder Abzweigungen verpassen könntet. Alles in allem ist das ein interessanter Versuch, aber mich holt man mit dieser Interaktivität nicht ab. Viel zu oft reißt es einen dabei aber aus der Story, dieses komplette in-eine-Geschichte-Eintauchen passiert hier also irgendwie nicht.

Mein Fazit: Nette Idee, bitte so aber nicht nochmal, Netflix

Bei dem Thema lag es irgendwie fast greifbar auf der Hand, dass man es dazu mit einer interaktiven Spielerei ausprobiert. Ich kann den Gedanken absolut nachvollziehen und es ist ja auch in der Tat eine schöne Möglichkeit für Netflix, hier mal zu präsentieren, was technisch in dieser Hinsicht gerade machbar ist. Mehr als eine Spielerei ist es für mein Empfinden dann aber leider auch nicht.

Bandersnatch hätte eine durchaus okaye Serienfolge sein können, für ein „Event“ mit interaktiver Note allerdings wirkt das alles zu dünn. Genau diese Interaktivität ist der eigentliche (zumindest gewollte) Star der Geschichte und genau das schadet dem Plot. Ich fühle mich nicht als Teil des Geschehens, tauche nicht wirklich ein in die dystopische Welt und wünsche mir stattdessen, dass man mir lieber doch eine vernünftige Geschichte erzählt.

Ich kenne einige, die begeistert sind von Black Mirror Bandersnatch, aber ich fürchte, es ist eifnach nicht meine Welt. Ich halte mich durchaus für fantasievoll, kann mir also auch eigene Geschichten ausdenken. Dennoch bevorzuge ich es, wenn mir eine Geschichte im Film oder im Buch so erzählt wird, wie der Autor sie sich gedacht hat. Ich möchte mich zurücklehnen und begeistern, erschrecken, unterhalten lassen.

Dazu kommt noch, dass ihr natürlich keine eigene Geschichte bastelt durch eure Entscheidungen im Film. Vielmehr arbeitet ihr einfach unterschiedliche Pfade ab. Das finde ich auf Dauer eher ermüdend als unterhaltsam. Auf diese Weise geht für mich auch ziemlich viel Potenzial verloren. Nochmal: Angesichts dieser Storyline kann ich nachvollziehen, wieso man genau hier so einen interaktiven Ansatz gewählt hat. Aber Netflix und die Black Mirror-Macher um Autor Charlie Brooker

PS: Habt ihr die Serie noch nicht gesehen und seid quasi über Bandersnatch an Black Mirror geraten: Schließt nicht von diesem interaktiven Versuch auf die Serienfolgen. Die sind größtenteils deutlich besser geraten und wenn euch Tech-Dystopien interessieren, müsst ihr euch Black Mirror unbedingt anschauen — nur vielleicht halt nicht Bandersnatch.

Über den Autor

Ehemalige BASIC thinking Autoren

Dieses Posting wurde von einem Blogger geschrieben, der nicht mehr für BASIC thinking aktiv ist.