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Polestar 2 Testfahrt: The hype is real

geschrieben von Mark Kreuzer

Mit dem Polestar 2 kommt ein Auto auf den Markt, dass wie so viele andere versucht die Vorherrschaft von Tesla im Bereich der Elektroautos zu brechen. Grundsätzlich bin ich im immer sehr misstrauisch, wenn sich im Internet ein Hype um ein Auto bildet und auch hochgradig skeptisch, wenn mit Begriffen wie „Tesla-Killer“ um sich geworfen wird. Zu oft sind schon vor dem Polestar 2 Autos angetreten, über die ähnliches gesagt wurde und alles bisher sind kläglich gescheitert.

Bei Polestar macht man einiges anders und das ist auch der Grund, warum ich sehr gute Chancen sehe, dass der Polestar 2 ein voller Erfolg wird.

Polestar – eine eigene Marke nicht nur auf dem Papier

Vor dem Fahrevent habe ich die Polestar-Autos für Volvo-Modelle gehalten, auf denen einfach ein anderes Logo draufgeklebt wurde. Tatsächlich ist die Marke Polestar ein 50-50 Joint-Venture von Volvo und Geely. Dazu muss man wissen, dass Volvo seit 2010 in Besitz von Geely ist. Also liegt im ersten Moment der Schluss sehr nahe, dass es mit der Eigenständigkeit der Marke Polestar nicht weit her sein kann. Verstärkt wird das ganze auch noch rein optisch dadurch, dass man viele Design-Elemente in einem Polestar wiederfindet, die man bereits sehr gut von Volvo her kennt.

Tatsächlich hat sich der Eindruck bei mir während des Fahrevents in Köln komplett verändert. Natürlich ist die aktuelle Corona-Pandemie einer der Gründe, warum Autohersteller nicht wie gewohnt Herrscharen an Journalisten durch die Welt an eine Event-Location fliegen. Aber der Ansatz von Polestar, die Wagen in einer Art Wanderausstellung durch Deutschland an verschiedene Ballungszentren zu bringen, habe ich so bisher noch nicht gesehen.

Neben der Tatsache, dass so Emissionen eingespart werden, hat es noch den enormen Vorteil, dass ich den Wagen so in meiner Heimat testen konnte. Dies war ein entscheidender Vorteil, da die effektive Testzeit mit knapp drei Stunden knapp bemessen war.

Bevor es aber an die Testfahrt ging, stand noch ein Videocall mit der Zentrale auf der Agenda. In dem Call stand uns der CEO Thomas Ingenlath und sechs seiner Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen der Fahrzeugentwicklung Rede und Antwort. Auffällig war dabei neben der technisch exzellenten Umsetzung des Videocalls auch die Locker- und Offenheit, mit der der CEO auf die Fragen von uns Journalisten eingegangen ist.

So verglich er sein Unternehmen Polestar mit einem etwas rebellischen Teenager, der natürlich die Abstammung von seinen Eltern (Volvo / Geely) nicht wegdiskutieren kann, aber dennoch alles anders/besser machen will.
Tatsächlich hat gerade der Interview-Teil mit den Mitarbeitern aus dem Bereichen Produkt Management, Design, Connected und auch Chassis gezeigt, dass man bei Polestar den Start-Up-Gedanken lebt.

Zumindest für den Moment glaube ich, dass die Neugründung in einer eigenen Marke eine der besten Schritte war, um einen Hersteller zu erschaffen, der wirklich Strom statt Benzin im Blut hat. Das war schon die erste Überraschung für mich — noch bevor ich überhaupt im Auto gesessen hab.

Polestar 2 – Testfahrt mal anders

Auch anders als auf jeden meiner anderen Fahrevents wurde in der Präsentation nicht ewig lang über technische Daten und ähnliches referiert, sondern es ging erstaunlich schnell auf die Piste.

Es ist nicht leicht, ein Auto in nur 2,5 Stunden vollumfänglich zu erfahren, aber gerade hier zahlt sch der Heimvorteil voll aus. Von Köln aus bin ich in erst mal zu meiner Familie und zu meiner Arbeit gefahren. Dabei bin ich die Wege gefahren, die ich auch sonst sehr regelmäßig mit den anderen elektrischen Testwagen gefahren bin. Gefühlt kenne ich auf der Strecke jede Bodenwelle und kann so tatsächlich sehr gut den Polestar 2 mit anderen Wagen vergleichen. Oder anders formuliert, mein erster Fahreindruck greift auf einen deutlich fundierteren Schatz an Erfahrungen zurück.

Der von mir gefahrene Polestar 2 war mit dem Perfomance-Paket ausgestattet. Das beinhaltet eine stärkere Brembo-Bremsanlage, manuell einstellbare Dämpfer und verschiedene goldene Akzente, die in meinen Augen eine unglaubliche Designbereicherung sind.

Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten und das gilt bei Design von Autos ganz besonders, habe ich das Gefühl. Die Form der Karosserie entspricht der so genannten Fastback-Form. Ein Fastback ist ein Fahrzeug-Styling-Merkmal, das dadurch definiert wird, dass das Heck des Autos eine einzige Neigung vom Dach zur hinteren Stoßstange aufweist. Auf Deutsch wird das ganze auch gerne Schrägheck genannt.

Diese Karosserieform ist mit Sicherheit nicht selten, aber ungewöhnlich ist die Erhöhung, die ihm fast schon einen leichten Anschein von SUV gibt. Für mich war dies anfangs ein wenig gewöhnungsbedürftig, gleichzeitig ist es aber auch etwas, was ihn stark absetzt gegenüber anderen Autos. Die ganze Designsprache würde ich als ein wenig nordisch beschreiben. Es ist minimalistisch und sehr clean.

Das spiegelt sich auch in den rahmenlosen Seitenspiegeln wider, die ich in dieser Form bei noch keinem anderen Hersteller gesehen habe. Tatsächlich eins der vielen Designhighlights, von denen man auch als Insasse etwas hat.

Das minimalistische Design findet sich auch im Innenraum wieder. Nicht nur die Optik, sondern auch die Haptik ist hochwertig. Auch hier finden sich an vielen Stellen kleine Designhighlights, wie zum Beispiel das im Glasdach per LED reflektierende/freischwebende Polestar-Logo. Diese genial einfache Idee hat eine enorme Wirkung, da man diese Reflexion von allen Sitzen aus gut sehen kann, doppelt passend durch die stilisierte Sternform der Marke.

Eine neue Art von Infotainment – Android Automotive OS

Aber nicht nur in Details hat man bei Polestar Sachen gemacht, die ich in dieser Form bei noch keinem anderen Hersteller gesehen habe, sondern auch im großen wurde auf Neuheiten Wert gelegt. So ist der Polestar 2 der erste Wagen, der Android Automotive OS auf dem 11,15-Zoll großen Zentraldisplay einsetzt. Alle Fahrzeugfunktionen, einschließlich Navigation, Unterhaltung, Fahrzeugeinstellungen und Klimaregelung werden über das zentrale Display gesteuert.

Das System verfügt über einen integrierten Google Assistant für die Sprachsteuerung, Google Maps als Navigationshilfe sowie den Google Play Store.

In 2,5 Stunden konnte ich nur einen ersten Eindruck von dem System bekommen, aber der hat dafür gereicht, dass ich sagen kann, der Polestar 2 hat eins der besten Infotainmentsysteme, die ich bisher je genutzt habe.
Das bezieht sich zu einem auf die Perfomance des Systems selbst, es gibt keine Ruckler oder ähnliches auch nicht beim Karten-Zoom in der Google Maps App. Es fühlt sich tatsächlich fast genau so an, als ob man ein Smartphone bedient. Nur mit einem entscheidenden Unterschied: Man merkt die Design-Anpassung für das Auto.

Die Schriftgröße ist so groß gewählt, dass es fast schon ein wenig lustig wirkt, nur mit dem entscheidenden Unterschied, dass es trotzdem so gut und passend aussieht, dass zumindest ich nicht verstehen konnte, wie das geht.

Statt jetzt hier noch viele Worte zu verlieren könnt ihr 45 Minuten lang an meiner Testfahrt teilnehmen, bei der ich genau auf diese und viele andere Punkte eingehe.

Spannend wird auch sein, wie schnell sich der App Store für Android Automotive OS füllt. Wenn es Google hier gelingt schnell ein Ökosystem zu schaffen, dann könnte Google das für die Auto-Infotainment-Welt werden, was Apple mit seinem Appstore-Ökosystem für Smartphones gelungen ist: der Goldstandard.

Fahreindruck Polestar 2

Bevor ich es vergesse, fahren lässt sich der Polestar 2 auch sehr gut. Tatsächlich ist er in der Abstimmung, was Fahrwerk und auch Leistungsentfaltung angeht, sportlicher als die meisten anderen Elektroautos. Das Performance-Paket bietet eine stimmige Abstimmung. Mit 408 PS und 660 Nm Drehmoment ist der Wagen in 4,7 Sekunden von 0-100 km/h. Er hat eine Batteriekapazität von 78 kWh und soll damit laut WLTP 470 km Reichweite besitzen. An entsprechenden Schnellladestationen kann er mit bis 150 kW laden und kann so in optimalen Bedingungen von 0-80 % in 40 Minuten laden.

Im ersten Moment war ich sehr zufrieden mit den Fahreigenschaften des Polestar 2. Das gilt auch für die Assistenzsysteme, die mit Pilot Assist auch Level 2 „autonomes Fahren anbieten“.

Mehr dazu werde ich erst sagen können, wenn ich die Gelegenheit bekomme, den Wagen ausführlicher zu testen.

Vorabfazit Polestar 2

Tatsächlich ist der Polestar 2 jetzt schon ein Auto, dem ich für einen ausführlichen Test entgegenfiebere. Mit etwas Glück sollte das auch nicht mehr so lange dauern, denn die ersten Kundenfahrzeuge werden in Deutschland im August ausgeliefert und laut Aussage kann jeder Interessent der jetzt bestellt, den Wagen auch noch dieses Jahr fahren.

Übrigens: Auch bei dem Vertrieb der Wagen orientiert man sich stark an dem bekannten amerikanischen Konkurrenten. Nicht beim Volvo-Händler, sondern in so genannten Polestar Places, die ein wenig Pop-Up-Store-Charakter haben, können sich Kunden über den Wagen informieren und wenn gewünscht auch direkt bestellen. Wobei bei der Bestellung das gleiche Internet-Portal genutzt wird, das man auch von Zuhause via Browser benutzt. Der Einführungspreis liegt bei 57.900 €.

Mein erster Eindruck ist, dass das Preis-/Leistungsverhältnis beim Polestar 2 absolut in Ordnung geht, ich glaube der Wagen könnte ein voller Erfolg werden. Ein großer Faktor wird sein, ob sich der Start-Up-Spirit hält und ob man es schafft, das auch auf die Autos zu transportieren und diese mit Updates weiterzuentwickeln.

Vom Begeisterungspotential her hat der Polestar 2 in meinen Augen die besten Chancen, das zu schaffen. Wie schon im Titel gesagt: the hype is real.

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Mark Kreuzer