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„The Rain“, 1. Staffel – Wie „The Walking Dead“, nur ohne Zombies

Stell Dir vor, dass ein Virus, der sich durch Regen verbreitet, von einem Tag auf den nächsten unseren Planeten komplett auf den Kopf stellt und fast die gesamte Menschheit auslöscht. Die wenigen Überlebenden finden eine Welt vor, in der nichts mehr so ist, wie es früher war und in der völlig neue Regeln gelten. Das ist so grob das Setting, in welchem sich eine Handvoll Teenager und junger Erwachsener wiederfindet, in der ersten Netflix Original-Serie aus Dänemark.

Die Serie heißt „The Rain„, umfasst in der ersten Staffel acht Folgen und ich habe mir die gesamte erste Staffel bereits anschauen können. Wenn ihr das Format auf einen knappen Satz eingedampft umrissen haben wollt: Eine Kombination aus „Coming of Age“-Geschichte und Endzeitszenario, bei der Look and Feel so manches mal an „The Walking Dead“ erinnert.

Keine besonders innovative Story, aber dennoch spannend umgesetzt [Spoiler]

Die Macher der Serie — Christian Potalivo, Esben Toft Jacobsen und Jannik Tai Mosholt — haben sich generell eifrig bei anderen Produktionen inspirieren lassen. Gerade die vielen Szenen im Wald erinnern in der Art und Weise, wie sie filmisch eingefangen werden, an die deutsche Netflix-Serie Dark. Besonders am Anfang fühlt man sich an „Die Wolke“ erinnert und generell erinnert das post-apokalyptische Dänemark an viele Filme und Serien mit Endzeit-Thematik.

Über die ganzen acht Folgen hatte ich das Gefühl, dass „The Rain“ nicht den Innovations-Nobelpreis für die originellste Geschichte erhalten wird. Dennoch wird die Geschichte sehr spannend erzählt. Dabei hält man sich gerade zu Beginn wirklich nicht lange mit Nebensächlichkeiten auf: Simone (Alba August) erwartet eigentlich, gleich ein Referat mit ihren Klassenkameraden zu halten, als sie von ihren Eltern Frederik (Lars Simonsen) und Ellen (Iben Hjejle) zusammen mit ihrem kleinen Bruder Rasmus (Lucas Lynggaard) ins Familienauto gepackt wird und sich von einer Sekunde auf die nächste auf der Flucht befindet.

Sie flüchten vor dem angesagten Regen. In diesem Regen befindet sich ein Erreger, der Menschen bei der kleinsten Berührung infiziert und binnen Minuten umbringt. Wir erfahren, dass der Vater anscheinend mehr über diesen Erreger weiß, viel von seinem Wissen gibt er jedoch nicht weiter an seine Kinder.

Sie fahren in einen Wald, genauer gesagt zu einem Bunker. Der wurde von Apollon errichtet, der Firma, für die Vater Frederik arbeitet. Er setzt seine Familie dort ab, verlangt von ihnen, dass sie um jeden Preis im Bunker bleiben und verabschiedet sich mit der knappen Info, dass er noch was zu erledigen hat. Wenige Minuten später stirbt die Mutter im verseuchten Regen und die beiden Kinder sind auf sich allein gestellt.

All das passiert in recht wenigen Serien-Minuten, so dass man sich sehr schnell in dieser Endzeit-Welt befindet. Insgesamt sechs Jahre vergehen, in denen die Geschwister weder den Bunker verlassen, noch ihren Vater wiedersehen. Und ja, auch diese sechs Jahre vergehen in der Serie wie im Flug und machen aus dem kleinen Bruder einen Krafttraining machenden Teenager.

Langsam gehen die Vorräte zur Neige, weshalb die beiden planen, nicht länger auf ihren Vater zu warten und den Bunker nach all den Jahren wieder zu verlassen. Sie stoßen auf sehr unfreundliche Jugendliche bzw. eher umgekehrt stoßen diese Jugendlichen auf den Bunker der beiden Protagonisten.

Wie es weitergeht, könnt ihr euch im Grunde denken: Die Geschwister schließen sich der Gang an und ab da ziehen die jungen Leute die restlichen Folgen durch ziemlich menschenleere Landschaften. Wie gesagt: Der Plot selbst ist einigermaßen platt, hier und da stößt man auch auf Logiklöcher (Regen überträgt den Virus, Nebel aber nicht?) und für mein Empfinden sind auch die Rollen der Jugendlichen zu klischeehaft. Simone will in erster Linie ihren kleinen Bruder beschützen, Martin ist der klassische Leader, dann gibt es den Rebellen, die Außenseiter usw.

Aber auch, wenn das jetzt in dieser kurzen Zusammenfassung wenig spannend und wie bereits viele Male gesehen wirkt, so ist die ganze Staffel doch sehr spannend und in Teilen sogar dramatisch. Das liegt für mein Empfinden daran, dass hier das gleiche Geheimrezept funktioniert, welches auch The Walking Dead nach zig Staffeln Zombie-Metzelei noch spannend erscheinen lässt: Die Interaktion der Menschen untereinander!

Natürlich ist das Böse in der Zombie-Serie ein anderes: Dort sind es die Zombies, hier hingegen ist es der verseuchte Regen. Die Rezeptur ist aber eben die gleiche, weil wir auch hier mitbekommen, was eine solche Katastrophe mit uns Menschen macht. Die guten Seelen leben ein viel komplizierteres Leben, weil die neue Welt eher einem Dschungel gleicht, in dem das Gesetz des Stärkeren gilt.

Auch in diesem Fall stoßen wir auf Wesen, die kaum noch an Menschen erinnern und sich mehr wie Tiere benehmen, während sie in den leeren Straßen Kopenhagens Jagd auf andere Menschen machen, immer auf der Suche nach Nahrung. In die Abgründe der Menschheit blicken wir auch bei einer Community, die eigentlich erst einen sehr friedlichen Eindruck macht, bei denen später aber ein düsteres Geheimnis dafür sorgt, dass unsere Teenager-Protagonisten schnell das Weite suchen.

Egal, ob es diese Menschen sind, eine aufgesuchte Ärztin oder die eigene Gang: Bei jeder Person muss man grundsätzlich davon ausgehen, dass sie einem selbst nichts Gutes will. Die Gruppe ist daher die ganzen acht Folgen stets auf der Hut, auch weil das Militär die Gegend beobachtet und dafür sorgt, dass vermeintlich Infizierte beseitigt werden.

Gefahren gibt es also beileibe genug für unsere Helden, dennoch geht es gar nicht mal nur darum, wie man in so einer Welt überlebt. Viel mehr leben sie auch unter diesen erschwerten Bedingungen ganz typische Teenager-Leben. In denen geht es da sehr oft um zwischenmenschliche Dinge: Erste Liebe, Sex, Eifersucht, das Gefühl, ein Außenseiter oder ungeliebt zu sein.

[mg_blockquote]Wer wirst Du sein, wenn der Regen kommt? [/mg_blockquote]

Zu diesem Wust aus Gefühlen und den tatsächlichen Bedrohungen dieser fast entmenschten Welt kommen dann zusätzlich auch noch Simones Zweifel, was ihren Dad angeht. Wieso ist er nicht zurückgekommen? Stecken er und das Unternehmen, für das er arbeitet, vielleicht sogar hinter dieser ganzen Katastrophe? Ist ihr kleiner Bruder vielleicht der Schlüssel zur Rettung und wenn ja, zu welchem Preis?

Fazit: Doch, kann man sich durchaus anschauen

Für den Fall, dass ihr euch jetzt trotz der gelegentlichen Spoilerei dazu entschlossen habt, „The Rain“ mal eine Chance zu geben, erspare ich euch jetzt auch die Auflösung der letzten Folge. Nach sieben der acht Folgen würde ich sagen, dass man die Serie absolut als gelungen bezeichnen kann, auch wenn die Idee und teils auch die Story selbst ein wenig einfallslos daher kommen.

Die achte und letzte Folge versaut den eigentlich guten Eindruck ein wenig, aber das ist natürlich nur meine Meinung — schlicht aus dem Grund, weil die Story eben nicht den Verlauf nimmt, den ich deutlich interessanter gefunden hätte. Trotzdem würde ich in einem 5-Sterne-System wohl solide 3,5 Sterne vergeben.

Wieso? Weil es tolle Bilder zu sehen gibt, beispielsweise wenn die Schönheit der Natur als Gegensatz zu den sterilen Bunkern toll in Szene gesetzt wird. Außerdem bekommen die verschiedenen Charaktere über die acht Folgen ein viel tieferes Profil, weil ihre Geschichten über Rückblenden erzählt werden. Nicht zuletzt sollen die wirklich tollen Schauspieler erwähnt werden, gerade beim Cast haben die Macher sehr vieles richtig gemacht. Ebenfalls Lob gibt es von mir für den Soundtrack, denn es gibt einige wirklich sehr schöne und stimmungsvolle Tracks zu hören.

Die erste Staffel endet so, dass man weniger das Gefühl hat, tatsächlich in einem Staffelfinale zu sein, sondern eher mitten in einer Geschichte, die noch lange nicht zu Ende erzählt ist. Aus diesem Grund bin ich auch sicher, dass eine zweite Staffel folgen wird — und ja, ich werde auch dann vermutlich wieder einschalten. Unterm Strich lebt diese Post-Apokalypsen-Serie für mich davon, dass es eben sehr gekonnt mit dem „Coming of Age“-Stoff kombiniert wurde. Hier muss sich natürlich zeigen, ob das Ganze dann auch eine zweite Staffel trägt.

Auch wenn „Wie The Walking Dead, nur ohne Zombies“ sicher ein wenig despektierlich klingt, passt die Einordnung meiner Meinung nach, ohne dabei die positiven Aspekte der Serie unter den Tisch zu kehren. Wie gehen Menschen miteinander um, die physisch und psychisch an ihre Grenzen stoßen? Das funktioniert bei TWD und auch bei The Rain meines Erachtens sehr gut.

Was sagt ihr? Habt ihr die Serie ebenfalls schon geschaut? Wenn ja, dann lasst es uns in den Kommentaren ruhig wissen, was ihr von „The Rain“ haltet.

Über den Autor

Ehemalige BASIC thinking Autoren

Dieses Posting wurde von einem Blogger geschrieben, der nicht mehr für BASIC thinking aktiv ist.