Moblin, Maemo, MeeGo, Tizen – wie denn nun? Diese Frage dürfte sich so mancher interessierte Anwender in den letzten Jahren bei den Bemühungen großer Hersteller, eine Linux-Variante für mobile Geräte zu schaffen, häufiger gefragt haben. Der stets beteiligten Open-Source-Gemeinschaft wurde es jüngst offenbar zu bunt, denn ihre Zusammenarbeit mit den Großkonzernen wird durch deren oft an schnell wechselnden Marktbedinungen orientierte Entscheidungen nicht gerade leichter. Kaum hat man sich darauf verständigt, gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten, springt der eine oder andere große Partner oder Finanzier mal eben ab oder ändert seine Strategie.
Die zugesagten Ressourcen brechen weg, Ziele werden neu definiert und es dauert einfach zu lange, bis wieder klar ist, was man erreichen will und welche Ergebnisse die gemeinsame Arbeit bringen soll. Beispiele für das Hick-Hack um ein mobiles Linux sind reichlich vorhanden – nachdem Nokia und Intel ihre Projekte Moblin und Maemo vor einiger Zeit zu MeeGo zusammenführten, sprang Nokia jüngst ab, so dass Intel einen neuen Hardware-Partner für MeeGo benötigte. Mit dem Einstieg von Samsung wurde nun aus MeeGo Tizen, das Problem ist nur, dass so langsam kein Aussenstehender mehr blickt, was bitteschön los ist. Ich selbst durfte diese Erfahrung zum Beispiel bei der MeeGo Conference in Dublin im letzten Jahr machen, wo sich einmal mehr zeigte, dass Intel und seine Partner zwar allerlei tolle Pläne für MeeGo haben, aber kaum eine klare Richtung definiert ist, weil man offenbar Angst hatte, sich wirklich konkret auf ein anzustrebendes Endresultat festzulegen.

Eine Gruppe von freien Entwicklern, die bisher für MeeGo arbeiteten, zieht nun ihre Konsequenzen. Unter dem Namen Mer Project will man dafür sorgen, dass zumindest in Sachen Basis (also zunächst unabhängig von der Oberfläche) klar ist, wohin es in Sachen Mobil-Linux gehen soll. Wie Carsten Munk, einer der treibenden Köpfe hinter MeeGo und Maemo jüngst anlässlich der Gründung des Mer Projects per Mailingliste bekannt gab, will man mit dem neuen Projekt eine effektive Entwicklung einer Linux-Basis für mobile Endgeräte aller Art sicherstellen. Die Grundlage dieser Arbeit soll zunächst der bestehende Kern von MeeGo bilden, weil dieser nach Ansicht der Gründer des Mer Project im Gegensatz zu den diversen Oberflächen bereits sehr gut für mobile Geräte wie Netbooks, Tablets, Smartphones und automotive Anwendungen geeignet ist.
Das Ziel ist es, bei der weiteren Entwicklung von Mer offen zu agieren, innovative Ideen einzuschließen und dabei “meritokratisch” zu agieren. Was ist eine Meritokratie? Merriam-Webster sagt dazu, dass es sich um ein System handelt, indem “die Talentierten ausgewählt und auf der Basis ihrer Leistungen an die Spitze gestellt werden”. Wer eine Sache also am Besten kann, soll diese Aufgabe auch übernehmen – ganz einfach. Statt also Entscheidungen von Business-Interessen und Strategien der Großkonzerne abhängig zu machen, sollen bei Mer einfach die bestgeeigneten Entwickler die jeweiligen Aufgaben erledigen. Auf diese Weise soll eine “mobil-optimierte Basis-Distribution für die Verwendung durch Gerätehersteller” entstehen, wobei man ausdrücklich auch auf eine Kooperation mit dem von Intel und Samsung jüngst bekanntgegebenen Tizen Projekt setzt.
Mer richtet sich also ausdrücklich nicht an Endanwender, sondern die Gerätehersteller, weshalb man den Hardware-Partnern die Arbeit so leicht wie nur möglich machen will, also auf Strukturen, Prozesse und Werkzeuge setzt, die auf sie zugeschnitten sind. Dies gilt auch für die zu verwende Architektur. Mer soll die Grundlage für Anwendungen bilden, die HMTL5, QML und JavaScript einsetzen, also weitestgehend plattformunabhängig verwendet werden können. Auch die in MeeGo und Tizen verwendeten Technologien sollen dabei eine Berücksichtigung finden. Natürlich wird Mer unter einer Open-Source-Lizenz stehen, so dass alle Arbeiten auch anderen Projekten zugute kommen können. Die Gründer stellten außerdem klar, dass man eine Beteiligung der Hacker-Community ausdrücklich wünscht, weil dies zusätzlichen Raum für Innovationen schafft. So sollen Fummler ihre Beiträge einbringen können, auch wenn diese vielleicht nur für ein einzelnes von ihnen verwendetes Gerät geschaffen wurden.
Das Mer Project scheint mir ein guter Weg zu sein, wie sich Linux um mobilen Bereich endlich unabhängig aber unter Beteiligung der großen Hersteller und Konzerne weiterentwickeln kann. Da man nur an der Basis arbeitet, bleibt es den Herstellern weiterhin möglich, sich durch eigene Oberflächen und Funktionen abzuheben und Alleinstellungsmerkmale zu schaffen. Wollen wir hoffen, dass sich Intel & Co offen für eine Zusammenarbeit mit dem neuen Proekt zeigen, denn nur wird Linux im Mobilbereich langfristig vorankommen.
Weitere Informationen: Mer Project