Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat entschieden: Die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung verstösst gegen europäisches Recht und damit ungültig. Komplett vom Tisch wird das Thema damit aber sicher nicht sein, die Speicherung von Kommunikations-Metadaten hat dafür zu viele Fans.
Aber immerhin ist das ein erster Sieg für die Gegner der Vorratsdatenspeicherung, die die massenhafte Speicherung der Daten für einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte der Bürger auf Privatleben, Datenschutz und freie Meinungsäußerung halten. Dieser Einschätzung hat sich das Gericht angeschlossen. Die Richtlinie muss nun deutlich überarbeitet und „auf das absolut Notwendige beschränkt“ werden. Was genau „absolut notwendig“ ist wird nun mit Sicherheit lange und ausführlich debattiert werden, klar ist bis jetzt nur, dass die in der bisherigen Richtlinie vorgesehene Speicherfrist zwischen 6 und 24 Monaten dieses „absolut Notwendige“ überschreitet.
In Deutschland gibt es derzeit keine Umsetzung der Richtlinie in nationale Gesetze. Eine erste Umsetzung hatte das Bundesverfassungsgericht 2012 kassiert und am Widerstand der FDP scheiterte eine neue Regelung. Union und SPD aber wollen die Vorratsdatenspeicherung wieder einführen, dazu aber das heutige Urteil abwarten. Wir dürfen also gespannt sein, mit welcher Idee zur Umsetzung die Große Koalition jetzt um die Ecke kommen wird. Und es ist davon auszugehen, dass ein Gesetzesentwurf kommen wird, obwohl doch eigentlich die Grundlage für die VDS im Koalitionsvertrag heute weg gefallen ist, denn dort heißt es:
Wir werden die EU-Richtlinie über den Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten umsetzen. Dadurch vermeiden wir die Verhängung von Zwangsgeldern durch den EuGH.
So wenig man erwarten darf, dass sich die Koalition nun von der VDS verabschiedet, so wenig ist zu erwarten, dass sich die Damen und Herren bei ihrem neuen Anlauf die Worte des früheren Bundesdatenschützers Peter Schaar zu Herzen nehmen: „Wer Grundrechte einschränkt, ist beweispflichtig.“ Was er hier schreibt ergibt sich zwar aus unserem Grundgesetz und der EU-Grundrechtscharta, aber das hat ja scheinbar schon bei der jetzt gekippten Richtlinie keinen Verantwortlichen wirklich interessiert. Bis heute gibt es keinen Nachweis für die Erforderlichkeit oder Wirksamkeit der Vorratsdatenspeicherung:
Dabei müsste es ihnen doch ein leichtes sein, nach acht Jahren den Nachweis zu führen – wenn denn ihre Argumente wirklich stimmen sollten. So müsste sich eigentlich nachweisen lassen, dass die Strafverfolgung Schaden genommen hat, weil das Bundesverfassungsgericht 2010 das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung (VDS) für verfassungswidrig erklärt hat. Sind bei uns die Aufklärungsquoten gesunken? Steht Deutschland schlechter da als seine Nachbarstaaten, in denen die VDS praktiziert wird? Davon kann keine Rede sein.
Auch die umfassende Speicherung von Daten der NSA brachte offenbar nichts:
Inzwischen ist sogar amtlich belegt, dass das unter US-Präsident George W. Bush nach 2001 eingeführte exzessive Programm zur Speicherung sämtlicher Metadaten amerikanischer Telefonkunden keine Terroranschläge verhindert hat. Mehr noch: Diese Super-Vorratsdatenspeicherung hat nicht einmal substanzielle Beweise für Ermittlungen gegen Terrorverdächtige geliefert.
Und trotzdem werden die Befürworter der Vorratsdatenspeicherung nicht müde zu behaupten, dass diese absolut notwendig wäre und sie werden damit nicht aufhören. Egal wie lächerlich so eine Forderung wirkt, wenn sie aus Polizeikreisen kommt. Also aus den Behörden, die es auch ohne die VDS nicht schaffen Beweismittel zeitnah zu sichern und auszuwerten. Peter Schaar verweist hier auf das aktuelle Beispiel im „Fall Edathy“. Über ein Jahr blieben vorliegende Daten liegen und wurden nicht ausgewertet – aus „Kapazitätsgründen“. Der BKA-Chef Jörg Ziercke verlangt also eine VDS, obwohl er doch wissen müsste, dass seine Beamten heute schon mit der Auswertung von Beweismitteln überfordert sind.
Als Gegner der VDS darf man sich heute zwar über einen kleinen Sieg freuen, aber vorbei ist es damit sicher noch nicht.