Gerade ist die im Vorfeld viel diskutierte Apple-Doku in der ARD vorbeigegangen und wie erwartet, waren die Journalisten tatsächlich in China unterwegs. Ergänzend zu Saschas Artikel in dem er darauf aufmerksam gemacht hat, dass Apple nicht das eigentliche Problem darstellt, sondern nur einer von vielen Nutznießern der Bedinungen in China ist, will ich hier noch einige Zusammenhänge klar machen.
So wurden in der Sendung unter anderem die Firmen Ri-Teng und QSMC genannt, die als Beispiele für weitere Vertragsfertiger von Apple herhalten durften. Auf den ersten Blick scheinen diese Firmen unbekannt, doch wer auch nur ein paar kurze Minuten damit verbringt, eine Suchmaschine zu bemühen, stellt schnell fest, dass wir praktisch alle schon einmal mit ihren Produkten in Berührung gekommen sein dürften.
https://www.youtube.com/watch?v=tWbXtPEyABQ
Fangen wir mit Ri-Teng an. Die Firma geriet zuletzt Ende 2011 in die Schlagzeilen, weil es in einem Werk von Ri-Teng in Shanghai zu einer Gasexplosion kam, bei der 61 Mitarbeiter verletzt wurden (siehe Bild unten). Schon damals wurde schnell klar, dass Ri-Teng keineswegs nur für Apple baut, sondern auch für diverse andere Hersteller wie Lenovo, Toshiba und Acer. Und um den Kreis zu schließen, sei erwähnt, dass Ri-Teng eine 100-prozentige Tochter von Pegatron ist, jenem Vertragsfertiger, der wiederum diverse andere Tochterfirmen hat und eigentlich eine Ausgründung von ASUS ist – jenem auch von mir hochgeschätzten taiwanischen Computerhersteller, der mein Notebook gebaut hat. Ri-Teng selbst macht übrigens keinerlei Geheimnis aus der Entlohnung seiner Mitarbeiter. Auf der für jedermann offen zugänglichen Website des Unternehmens ist von einem normalen Stundenlohn von 11 Yuan (1,30 Euro) und 14 Yuan (1,77 Euro) für Überstunden und Wochenendarbeit die Rede. Insgesamt könnten die Mitarbeiter durch Überstunden im gesetzlichen Rahmen dem Unternehmen zufolge auf 2800 bis 3000 Yuan im Monat kommen, heißt es weiter – was umgerechnet gut 330 bis 355 Euro entspricht. Dafür muss man dann aber eben auch 60 Stunden die Woche schuften, denn das Grundgehalt beträgt nur 1280 Yuan, also gut 150 Euro.
QSMC ist ebenfalls nicht unbekannt. Die Abkürzung steht für Quanta Shanghai Manufacturing Company – es handelt sich also um eine Fertigungstochter von Quanta. Na, wer hat den Namen Quanta schonmal gehört? Richtig. Quanta ist jenes Unternehmen, das für sich den Titel des weltweit größten Vertragsherstellers für Notebooks beansprucht – und somit auch der größte Notebookhersteller überhaupt ist. Solltet ihr also ein Notebook eines bekannteren Herstellers euer Eigen nennen, so stammt es mit einiger Wahrscheinlichkeit von Quanta, denn das Unternehmen hat einen Marktanteil von gut 30 Prozent bei der OEM-Fertigung von Tablets und Notebooks.
Die Marktbeobachter von DisplaySearch haben dazu eine schöne Grafik veröffentlicht, in der die Vertragsfertiger den verschiedenen Markenanbietern zugeordnet werden. Bei Quanta verrät die Übersicht, dass Fujitsu, Sony, Toshiba, Samsung, Dell, ASUS, Lenovo, HP und eben Apple allesamt bei dem eigentlich aus Taiwan stammenden Unternehmen fertigen lassen. Wenn man weiter forschen würde und dabei tiefer in die Vernetzung der asiatischen Vertragsfertigung vorstößt, wird ganz schnell sehr deutlich, dass praktisch jeder Hersteller den wir hierzulande kennen, seine Geräte mit Hilfe der in dem Apple-kritischen Film der ARD genannten Vertragsfertiger bauen lässt.
Der kritische Punkt ist hier, dass wir uns alle darüber klar sein müssen, dass es praktisch, gelinde gesagt, scheissegal ist, welcher Markenaufkleber auf unseren Produkten klebt, denn die Geräte stammen allesamt aus asiatischen (und bald eben südamerikanischen oder auch afrikanischen) Fabriken. Von dort aus kommen wir zu einem grundlegenden Problem der gesamten Computerbranche.
Apple ist, wie wir aus diversen Berichten von Analysten und Marktbeobachtern wissen, so ziemlich der einzige Hersteller, der wirklich horrende Margen einstreicht. Das macht die Erben von Steve Jobs und Gott Jobs himself nicht unbedingt sympatischer, gerade wenn man sich klar macht, wie hoch die Gewinne für das Unternehmen im Vergleich zu den puren Fertigungs-, Komponenten- und Personalkosten sind. Am Ende freuen sich die Aktionäre und die Börse jubelt einmal mehr, wenn Apple mal wieder Rekordzahlen meldet. Aber wenigstens macht Apple eben noch pervers hohe Gewinne.
Bei den anderen Herstellern sieht es allerdings deutlich finsterer aus, denn ihre Margen sind im Vergleich verschwindend gering. Es ist nicht selten, dass die Firmen nur noch 3-5 und wenn es mal hoch kommt auch mal 10 bis 15 Prozent pro verkauftem Gerät verdienen. Die Margen sind also so gering, dass sich die Produktion der Geräte für viele Hersteller kaum noch lohnt. Ein gewisser Anteil daran ist sicherlich auf den hart umkämpften Markt zurückzuführen, weil man sich versucht, mit geringen Preisen Marktanteile zu verschaffen. Während Apple also Spielraum hat, den Vertragsfertigern mehr zu zahlen und somit auch höhere Löhne ermöglichen könnte, ist den anderen Herstellern dies kaum möglich.
Wer ist nun also Schuld an der Misere? Der Kunde, der nicht bereit ist, mehr für die Technik zu zahlen, es sei denn sie stammt von Apple? Apple, weil das Unternehmen Riesenmargen einfährt, aber davon rein gar nichts an die Vertragsfertiger und Zulieferer weitergibt und stattdessen durch die hohen Stückzahlen und die Abhängigkeit der Zulieferer noch geringere Preise an sie zahlt? Oder ist es im kapitalistischen Wettbewerb einfach der Lauf der Dinge? Sind vielleicht auch wir von MobileGeeks mitschuld, weil wir über besonders günstige Hardware berichten oder den Appetit auf preiswerte neue Geräte schüren? Und was ist überhaupt preiswert? Sollten wir vielleicht unser Gewissen einschalten, wenn wir Technik kaufen? Oder können wir als einzelne sowie nichts an der Situation ändern?
Und zu guter letzt die wichtigste Frage: Wärt ihr bereit, für Produkte eines Herstellers, dessen Zulieferer transparent über alle Zustände und Details der Lieferkette informieren, mehr Geld zu zahlen? Außer im Fall von Apple natürlich, denn da bieten die Margen ganz offensichtlich sehr viel Spielraum.
Zur Erinnerung: Nokia hat seine Produktion erst kürzlich vollständig nach Asien verlagert, um Kosten zu senken und wettbewerbsfähiger zu fertigen.
UPDATE: Ich will auch noch was zu der ARD-Sendung an sich loswerden, was darüber hinaus geht, dass es sich um ein generelles Problem und nicht um eines von Apple handelt. Die Sendung war bis zu dem Punkt, an dem man sich doch tatsächlich nach Shanghai bzw. Shenzhen aufgemacht hat, vollkommen für den Hintern. Das Surface Tablet wird also von Windows gebaut? Ahja. Die Usability-Experten von der RWTH Aachen waren zudem wohl die schlechtest mögliche Besetzung – die RWTH Aachen hat seit geraumer Zeit das Apple on Campus Programm laufen und bietet sogar Schulungen für die Mac-Benutzung an. Von Unabhängigkeit kann also keine Rede sein. Was das ganze in dieser Hinsicht mit “Skandal”-Doku zu tun hat, bleibt unklar, abgesehen von der mauen Rechercheleistung. Immerhin haben die ARD-Leute es geschafft, ihren Hintern nach China zu bewegen und dort NICHT NUR bei Foxconn zu klingeln. Und man hat sich der Analyse der Komponentenkosten von iSuppli bedient. Wenigstens das. Letztlich hat die Sendung aber gar nichts gekonnt, weil sie ein zu kurz gegriffener Rundumschlag war. Statt sich auf eines der Themen wirklich zu konzentrieren, gab es von allem nur ein bisschen. Vielleicht schafft es ja irgendwann mal jemand, sich mit der Situation in China/Vietnam/Brasilien/Schlagmichtot wirklich sinnvoll auseinanderzusetzen – und dabei die gesamte Industrie an den Pranger zu stellen, statt Wischiwaschi zu liefern. Warum sind die ARD-Filmer nicht weiter gegangen, wenn sie schonmal da waren und sogar mit versteckten Kameras hantiert haben?!