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Hogwarts Mystery im Test: Harry Potter und das Freemium-Modell des Schreckens

Während ihr Muggel einen Feiertag genossen habt, haben wir zaubernden Blogger es nicht so gut. Also hab ich mich auf meinen Besen geschwungen (ein alter Komet 260 — kaum ein Blogger kann sich einen Nimbus oder Feuerblitz leisten) und bin in die Redaktion gesaust. Für das Schreiben von Gaming-Reviews hab ich leider noch keinen Zauber gelernt, was bedeutet, dass ich meine Einschätzung des Spiels „Harry Potter: Hogwarts Mystery“ noch auf die herkömmliche Art und Weise schreiben muss.

Hogwarts Mystery haben wir hier nicht erst auf dem Schirm, seit der allererste Trailer Anfang des Jahres erschienen ist. Bereits 2017, anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Erstauflage von „Harry Potter und der Stein der Weisen“, verkündete nämlich Jam City, dass man die offizielle Lizenz für dieses Spiel besitzt und es 2018 veröffentlichen würde.  Das ist nun passiert — seit einigen Tagen kann Hogwarts Mystery heruntergeladen werden und zwar in Ausführungen für Android und iOS.

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Das Spiel geht also auf die Kappe von Jam City, bei Warner Bros. Interactive Entertainment wurde indes eigens für die Games aus dem Potter-Universum das Label Label Portkey Games geschaffen.

[mg_blockquote cite=“Chris DeWolfe, Mitgründer und CEO von Jam City“]Es ist für Jam City eine Ehre, ein mobiles Spiel für solch eine große Marke zu gestalten. Wir sind ebenfalls Fans von Harry Potter und bringen den Millionen Menschen weltweit, welche seit mehr als 20 Jahren seine Geschichten verfolgen, großen Respekt entgegen. Dieses Spiel war für unsere Entwickler und Künstler ein echtes Vergnügen. Sie haben engagiert daran gearbeitet, allen Fans der magischen Welt von J.K. Rowling ein einzigartiges Spielvergnügen zu bereiten. [/mg_blockquote]

Erhältlich ist das Spiel kostenlos und grundsätzlich ist es auch spielbar ohne den Einsatz von Geld. Allerdings könnt ihr mittels In-Game-Käufen ins Spiel investieren, wir haben es hier also mit einem sogenannten Freemium-Titel zu tun. Dazu aber später mehr!

Die Spielidee

Schauen wir uns erst einmal an, worum es hier überhaupt geht. Natürlich sind wir im Potter-Universum zuhause und erfreulicherweise haben wir es auch mit vielen bekannten Charakteren und auch Locations zu tun. Ihr werdet also die Orte in Hogwarts wieder erkennen, selbstverständlich auch die Zauberer und Hexen wie Snape, Dumbledore oder McGonagall.

Erst mal muss man natürlich überhaupt in Hogwarts ankommen. Ihr legt daher, nachdem ihr eure Einladung in die Zauberschule bekommen habt, erst mal in der guten, alten Winkelgasse los und sucht euch die notwendigen Bücher zusammen. So lernt ihr schon ein wenig die Spielmechanik kennen, danach geht es dann mit dem altbekannten Hogwarts Express los ins Abenteuer.

Das Spiel ist zeitlich knapp vor Harry Potters Ankunft in Hogwarts angesiedelt. Das sieht man nicht nur daran, dass die eben aufgezählten Zauberer dort schon als Lehrer bzw. Schulleiter aktiv sind. Diese Info wird euch auch anfangs mit auf den Weg gegeben, als ihr nämlich an eurem ersten Tag den vier Häusern zugeteilt werdet und Dumbledore berichtet, dass das Baby namens Harry Potter die Attacke Voldemorts überlebt hat.

Keine Bange übrigens: Ihr könnt dem Hut schon mitteilen, wo ihr gerne landen würdet, so dass er das bei seiner Empfehlung berücksichtigen kann.

Am Anfang des Spiels bastelt ihr euch natürlich erst euren Charakter zurecht. Ihr habt hier eine überschaubare Zahl an Möglichkeiten, ihn optisch zu verändern. Auch hier ist es u.a. dem Freemium-Modell geschuldet, dass ihr sowohl beim Aussehen als auch der Kleidung nur eine Handvoll Auswahlmöglichkeiten habt. Teilweise müsst ihr aber auch erst bestimmte Level erspielen, um das ein oder andere Kleidungsstück anlegen zu können.

Ihr entscheidet euch also für den Look, ebenso dafür, ob ihr Zauberer oder Hexe seid und sucht euch einen Namen aus. Ich hab mich für Casi Drees entschieden, nachdem „Harry Ruhrpotter“ abgelehnt wurde. Scheinbar mag das Spiel nicht, wenn ich mir Namen von bereits existenten Zauberern auswähle. Verbindet ihr das Spiel mit dem Facebook-Account, könnt ihr auch auf mehreren Devices spielen und habt immer den aktuellsten Spielstand überall.

Ich wollte eigentlich einen Avatar, der wie Martin Gore aussieht – herausgekommen ist ein Justin Timberlake-Klon zu *NSYNC-Zeiten

Was die Missionen selbst angeht, so möchte ich nicht zu sehr ins Detail gehen — will ja den Leuten nicht schon durchs Spoilern den Spaß verderben. Es gibt aber sehr viele kleinere Aufgaben, die euch eben genau so den Schulalltag auf Hogwarts durchleben lassen, wie es bei Harry Potter auch der Fall ist. Das heißt, dass ihr in euren sieben Jahren auf der Schule das Brauen von Zaubertränken, Zaubersprüche und selbstverständlich auch das Fliegen mit einem Besen erlernt. Daneben gibt es noch eine Hintergrund-Story, die sich wie ein roter Faden durch das Spiel zieht. Auch hier mag ich nicht zu viel verraten, aber es geht um euren Bruder, der vor euch auf der Schule war und seitdem verschwunden ist. Er ist auch der Grund, wieso viele Schüler und Lehrer Vorurteile gegen euch hegen.

In der Schule damals war es mir immer herzlich egal, wenn mich ein Lehrer behämmert fand — umgekehrt war es ja von meiner Seite auch nicht gerade Liebe 😉 Aber ich muss zugeben: Als ich zum ersten Mal mies von Snape angeblafft wurde, ist mir als Potter-Fan doch ziemlich das Herz aufgegangen.

Snape ist aber beileibe nicht der einzige, der mit meiner Anwesenheit in Hogwarts nicht so richtig glücklich wird. Ich finde ein paar sehr nette Freunde, allerdings stoße ich auch auf eine junge Hexe, die mir alles andere als wohlgesonnen ist. Von der Chemie her erinnert auch das an die ursprüngliche Harry-Potter-Story, was es nochmal ein wenig interessanter macht.

Die Hexe Merula mag mich von Anfang an nicht und liebt es, mir das zu zeigen

Optisch und stimmungstechnisch ist das richtig gut gelungen bis hierhin. Es kommt tatsächlich von der ersten Sekunde an richtiges Harry-Potter-Feeling auf, der Sound untermalt alles wirklich stark und auch der Look weiß zu gefallen. Wenn Jam City also behauptet, dass man da sehr viel Herzblut reingesteckt hat, damit sich auch große Potter-Fans zuhause fühlen können, dann ist das eine realistische Einschätzung.

Das Spielprinzip/Gameplay

Jam City hat versucht, unser Hogwarts-Abenteuer einigermaßen abwechslungsreich zu gestalten. Das ist in Teilen auch gelungen, teils ist es aber auch recht lahm geraten. Ihr hangelt euch an verschiedenen großen und kleineren Missionen entlang, bei denen ihr auch immer wieder mit den anderen Schülern und Lehrern interagieren müsst.

Ihr werdet zum Beispiel Fragen gestellt bekommen, bei denen ihr stets drei Antwort-Optionen vorgeschlagen bekommt, aus denen ihr wählen könnt.

Je nachdem, wie ihr euch entscheidet, verändert sich dann nicht nur euer Punktestand in den Kategorien „Tapferkeit“, „Empathie“ und „Wissen“, sondern auch euer Verhältnis zu eurem Gesprächspartner. Die Geschichten verlaufen also nicht komplett linear bei allen Spielern, sondern entwickeln sich mit euren persönlichen Antworten. Mit der Zeit steigen nicht nur euer Level und eure Skills bei den drei Attributen, ihr vertieft auch Freund- und Feindschaften und schaltet weitere Charaktere frei. Hier sind die drei Skills, die ihr stets oben links auf dem Screen zu sehen bekommt:

  • Tapferkeit – Das Attribut „Tapferkeit“ zeigt deine Nervenstärke, deinen Mut und deine Macht.
  • Empathie – Das Attribut „Empathie“ zeigt deine Treue, Freundschaft und Einfühlsamkeit gegenüber anderen.
  • Wissen – Das Attribut „Wissen“ zeigt deine Schulleistungen, deine Fertigkeiten beim Nachforschen und alles weitere, was du weißt.

Am Ende eurer Aufgaben können entweder die Skills verbessert werden, oder ihr erhaltet Münzen, Diamanten oder Energie. Die Energie verbraucht ihr bei euren Aufgaben, mit den Münzen kauft ihr Klamotten zum Anziehen oder Accessoires und die Diamanten sind die Premium-Währung des Spiels. Mit ihr könnt ihr entweder Münzen oder Energie-Blitze erwerben, wenn euch diese ausgegangen sind, oder die Wartezeit bis zur nächsten Aufgabe verkürzen.

Es gibt aber noch mehr Spiel-Funktionen, die vermutlich das sonst eher öde Frage-Antwort-Spiel aufpeppen sollen. So gibt es verschiedene Geschicklichkeitsaufgaben: Zum einen müsst ihr einen gerade erlernten Zauber bzw. die dafür notwendige Zauberstab-Geste auf dem Display nachzeichnen.

Manchmal wird auch ein Ring angezeigt, der sich in der Größe verändert. Ist er so groß, dass er exakt in den anderen Ring mit den gestrichelten Linien passt, tippt ihr ein mal schnell auf den Screen und das war es dann.

Beides ist natürlich nicht sonderlich schwer zu beherrschen und daher nicht wirklich als Aufgabe oder als Action-Element zu bezeichnen. Immerhin sorgt es ein wenig für Abwechslung und ist deutlich weniger öde als das nächste spielerische Element:

Die meiste Zeit verbringt ihr nämlich damit, einfach auf einen durch eine Markierung hervorgehobenen Charakter oder Gegenstand zu tippen. im obigen Bild war es beispielsweise unser Freund Rowan, den es anzutippen gilt. Es erscheint eine kleine Anzeige, die euch auch signalisiert, wie viel Energie für diese Aufgabe drauf geht.

Ganz ehrlich: Das ist ziemlich lahm und auch nervig. Wird beispielsweise eine 5 angezeigt, tippt ihr eben fünf mal auf den jeweiligen Charakter/Gegenstand, tippt dann auf den nächsten usw. Das macht ihr dann entweder so lange, bis eine Tätigkeit beendet wurde — oder bis euch die Energie ausgeht, was leider sehr oft und schnell geschieht.

Nebenher sammelt ihr übrigens auch Punkte für den Hauspokal. Ja, den gibt es natürlich auch in diesem Spiel und sorgt dafür, dass die vier verschiedenen Häuser in stetem Konkurrenzkampf zueinander stehen. Ebenso, wie Harry oft zu Unrecht Punkte abgezogen bekam, ergeht es mir in Hogwarts auch. Dennoch liege ich aktuell vorne – yay.

 

… was aber nichts daran ändert, dass mein Haus Gryffindor derzeit abgeschlagen auf dem letzten Platz liegt.

Alles in allem ist das Spiel technisch sicher nicht der ganz große Wurf, lebt aber eben von der Lizenz bzw. davon, dass man sich halt im Harry-Potter-Universum bewegen „darf“. Als eingefleischter Fan verzeiht man da sicher auch spielerische Schwächen oder Tristesse, so dass man sich durchaus einigermaßen gern durch das Game beweg — wäre da nicht diese eine Sache:

Accio Energie

Ich hatte mir beim Antesten meinen Charakter erstellt und bin frohen Mutes losgestiefelt, um mich in Hogwarts‘ Schulalltag zu stürzen, als ich auch schon das erste mal ein ganz langes Gesicht machte. Damit kommen wir jetzt zum wirklich fettesten Haken, was dieses ansonsten echt mit viel Liebe umgesetzte Spiel angeht: Jam City versucht von Anfang an, euch zum Kauf von Premium-Währung zu animieren.

Ja, ich hab das Freemium-Modell verstanden: Ihr gebt mir euer Spiel kostenlos, dafür soll ich dann halt im Spiel dies und das erwerben. Ich habe grundsätzlich überhaupt nichts gegen dieses Spiel-Modell. Bei anderen Spielen funktioniert es für mich sehr gut, weil da ein bestimmtes Spiel-Gleichgewicht gehalten wird. Es ist so zum Beispiel absolut in Ordnung, wenn man sich Premium-Gegenstände anschaffen kann, die nicht das komplette Spiel verzerren.

Auch bei „Harry Potter: Hogwarts City“ könnt ihr grundsätzlich auch das komplette Spiel durchzocken, ohne einen Cent zu investieren. Dafür müsst ihr dann aber schon arg viel Geduld mitbringen. Wie eben bereits erwähnt hatte ich erst wenige Minuten gespielt, als ich nämlich schon gesagt bekam, dass mir die Energie ausgegangen ist.

Will ich weiterspielen, kann ich Diamanten in Energie umtauschen — wie ihr oben im Bild seht, hätte ich für 55 dieser Edelsteine dann 30 zusätzliche Energie-Einheiten bekommen. Die Alternative dazu: Abwarten! Binnen vier Minuten regeneriert ihr nämlich einen Energiepunkt. Das bedeutet (bei anfangs 24 Energiepunkten), dass ihr nach exakt 96 Minuten wieder voll aufgeladen seid.

Meiner Meinung nach passt das einfach nicht richtig zusammen, weil der Spielfluss komplett zerstört wird. Wenn ich fünf oder mehr Personen oder Gegenstände antippen muss (manche bis zu fünf mal), dann habe ich nach wenigen Sekunden Tippen auf dem Bildschirm wieder alle Energie verballert und kann dann wieder ’ne Stunde warten. Alternativ zur verbrauchten Energie bekommt ihr auch Missionen freigeschaltet, die nicht sofort spielbar sind. Da heißt es dann wieder: Hau Premium-Währung raus, oder warte eben mal drei Stunden!

Der Untertitel des Spiels sollte lauten: „Zahlen oder warten“

Nochmal: Das Prinzip geht für mich grundsätzlich absolut klar, und es ist auch in der Tat möglich, das Spiel komplett kostenlos zu spielen. Aber Jam City hat sich hier für mein Empfinden komplett dabei verhoben, das richtige Gleichgewicht zu finden. Der Harry-Potter-Zauber wird auf diese Weise komplett zerstört. Das ist auch der Grund, wieso dieses Spiel, auf das ich mich so sehr gefreut habe, schon nach den ersten beiden Tagen unangetastet auf meinem Smartphone vor sich hin schimmelte.

Klar: Wer damit leben kann, dass er alle paar Stunden für eine kurze Aktion vorbeischaut und dann wieder ein paar Stunden wartet, der kann es kostenlos durchzocken. Aber es bleibt eben dabei, dass es für mich auf diese Weise fast unspielbar wird.

Ja, ich möchte es gerne zu Ende spielen und werde sicher immer wieder mal reinklicken, aber es wird meiner Meinung nach unendlich viel Potenzial verschenkt. Es bleibt zu hoffen, dass die Kritik, die sich auch im Netz an jeder Ecke finden lässt, dazu führt, dass Jam City nochmal an ein paar Stellschrauben nachjustiert.

Bewertungen der Android-Version

Bewertung der iOS-Version

Mein persönliches Fazit: Es hätte so schön sein können, wenn …

Tja, wie ich es eben geschrieben habe: Der Spielspaß bleibt aufgrund des steten Energieverlustes zumindest für mich ziemlich auf der Strecke. Wir haben es hier mit einem Rollenspiel zu tun, welches absolut seine Reize hat. Vor allem liegt das natürlich an dieser mächtigen Lizenz, die uns mitten rein in die Welt von Harry Potter katapultiert.

Jam City macht hier echt viele Dinge richtig, so dass die Nummer einigermaßen kurzweilig sein könnte. Aber dieses nur auf den schnellen Profit schielende Spielsystem macht jegliche guten Eindrücke zunichte. Ich habe allerdings noch die leise Hoffnung, dass man sich bei Warner/Portkey Games bzw. bei Jam City eines Besseren belehren lässt und entscheidend beim Energie-System nachbessert.

Sollte das geschehen, werde ich auch mein Testergebnis deutlich aufwerten und dann auch gerne und intensiv weiterspielen. Passiert das hingegen nicht, kann ich dieses Spiel nur denjenigen Potter-Fans empfehlen, die a) zu viel Geld zur Verfügung haben und sich die Energie einfach kaufen, oder die b) damit leben können, dass man alle paar Stunden wieder ein, zwei Minuten weiterspielen kann.

Jam City sollte sich überlegen, ob man nicht einen anderen Weg findet, Einnahmen zu generieren. Ich würde beispielsweise gerne zehn oder auch zwanzig Euro für ein Spiel bezahlen, welches mit einem fairen Energie-System ausgestattet wird und dadurch Spielfluss aufkommen lässt.

Über den Autor

Ehemalige BASIC thinking Autoren

Dieses Posting wurde von einem Blogger geschrieben, der nicht mehr für BASIC thinking aktiv ist.